PAZIFISTISCHE THESEN
Pazifismus ist keine
Schlachtfeld-Theorie, denn Pazifismus ist weder Schwert noch Pflugschare, auch
kein Gemütszustand, sondern Völkerrechtauffassung und verlangt eine
Weltordnung, die das Schwert dem Recht unterordnet - statt umgekehrt.
Aber in unseren Lexika und Schulbüchern steht
halt, dass #Gandhi ein Pazifist gewesen sei, als den er sich nie sah, sondern
einfach nur schlau, dass es gegen die Briten besser gewaltlos zu versuchen war -
eher die Ausnahme.
Wenn jemand Schwertlos-Pazifist war, dann der
Kirchen-Jesus, aber dem ersparen die Schulbücher das Pazifisten-Label, denn
darunter könnte in einem "christlichen" Land das Wohlwollen gegenüber
der Rüstungsindustrie und dem Wehrwillen zu arg strapaziert werden.
Markus S. Rabanus
2022-05-01
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- Ein
Recht ohne Durchsetzungsmacht ist kein Recht, sondern allenfalls Ehrencodex
und Appell. Darum genügt es nicht, dass den Vereinten Nationen das
Gewaltmonopol in der Charta steht, wenn sie ohne Streitkräfte ist, das
Völkerrecht durchzusetzen.
- Wissenschaftlich:
Wem der Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist, hat weder
das Prinzip der Gewaltenteilung verstanden noch das Prinzip des
Gewaltmonopols zur Eindämmung der Selbstjustiz. - Aber vielleicht durch
diesen Hinweis.
- Volkstümlich
und nur die Banalisierung betreffend: Wenn der Krieg die Fortsetzung von
Politik "mit anderen Mitteln" wäre, dann wäre die Vergewaltigung
die Fortsetzung von Liebe "mit anderen Mitteln".
- Abschreckung
macht Sinn, aber eine Abschreckungsstrategie, deren "ultima ratio"
die kollektive Selbstauslöschung ist, ist so irre, als sei auszuschließen,
dass Irre den Schalter bedienen - oder weil sie sich irren, im U-Boot,
strategischen Bomber, ...
- Wären
die nationalen Streitkräfte über die Erfordernisse der inneren Sicherheit
hinaus für die äußere Sicherheit zur Selbstverteidigung unabdingbar, so wären
die schwächeren Staaten bleibend im Nachteil, weil das Wettrüsten einzig
den reicheren Staaten ein Leichtes ist.
- Könnte
der Frieden durch militärische Gleichgewichte gesichert werden, so müssten
nicht nur alle Nationen die gleiche militärische Kraft aufbieten, sondern
auch noch gewährleisten, dass sie solch Gleichgewicht nicht durch Allianzen
oder Wechsel von Allianzen stören. - Beides ist utopisch und wäre auch
nicht wünschenswert.
- Der
Atomwaffensperrvertrag verbietet nicht nur die Verbreitung von Atomwaffen,
sondern verpflichtet die Atomwaffenmächte in seinem Artikel 6 zu einer
Politik der vollständigen Abrüstung auch ihrer Atomwaffenarsenale - und
zwar "in naher Zukunft". Der Atomwaffensperrvertrag trat 1970
inkraft.
- Viele
glauben, die UNO sei durch die Vetorechte der fünf Atomwaffenmächte gelähmt,
aber würde man das Vetorecht streichen, so wäre es nur ein formaler Akt,
denn die UNO ist nicht durch Paragraphen gelähmt, sondern durch die Stärke
nationaler Streitkräfte, sobald die Mächte auf ihre Militärs gestützt
politisch konkurrieren. Darum werden sich die Vetorechte erst dann erledigen
und die Rechtsgleichheit der Nationen verwirklichen, wenn das Gewaltmonopol
der Vereinten Nationen durch den Militärverzicht der Staaten weit genug
fortgeschritten ist.
- "Aber
wenn das die Starken nicht wollen?" - Es gibt keinen Grund für
Kulturpessimismus, denn nur die wenigsten Horden werden von Bodybuildern
regiert, sondern eher von den Gescheiteren. Und hinsichtlich der moralischen
Ansprüche unterscheiden sich die Großen von den Kleinen nicht.
- "Und
wenn die wirklich Bösen nicht wollen?" - Dann wurde die Strafbarkeit
von Mord, Betrug usw. trotzdem Gesetz.
- Diplomatie
und Hetze sind Gegensätze.
- Der
Abbruch diplomatischer Beziehung taugt nicht als Strafe, sondern
unterminiert die Zivilisierung von Konflikten. Auf Dialogbereitschaft lässt
sich allenfalls dann verzichten, wenn das Gegenüber vollkommen unwichtig wäre.
- Es
ist ein Hauptfehler oder übler Trick vor Friedensverhandlungen, ihr
Stattfinden von "Vorbedingungen" abhängig zu machen, die
allenfalls Verhandlungsergebnis werden könnten.
- Wer
Streitparteien unterschiedlicher Stärke zu Friedensverhandlungen
auffordert, treibt entweder das Spiel des Stärkeren oder hätte dafür zu
sorgen, dass der Schwächere gleiches Gewicht hat.
- Sich
in Konflikten notorisch auf die Seite der Schwächeren zu schlagen, ist zwar
nicht opportunistisch, aber dämlich, als sei einzig die Schwäche recht.
- Wenn
Gewalt zulässig wäre, "weil alle diplomatischen Bemühungen
scheiterten", dann könnten wir unsere Gerichte abschaffen und regeln
unsere Streitigkeiten mit Waffen.
- Wodurch
eskalieren Krisen mitunter zu Kriegen? - Da gibt es viele Möglichkeiten:
- Indem man sich einbildet, die Krise sei bereits Krieg.
- Indem man glaubt oder so tut, es sei besser Krieg oder er bringe die Lösung.
- Indem man militärisch droht in der Hoffnung, der Gegner sei vernünftiger
als man selbst.
- Je zugespitzter die Krise gemacht, desto zufälliger kann sie zum Kriege
mutieren.
- Es
ist richtig, gegen einen drohenden Krieg zu protestieren, aber regelmäßig
ineffektiv, denn zu Strukturen krisenfester Friedenssicherung lässt sich
nur in entspannten Zeiten vorwärts kommen >> UNO-Pazifismus
- Das
vordringlichste Ziel aller Politik und allen Völkerrechts kann nicht die
Wiederherstellung einer irgendwann verletzten Gerechtigkeit sein, sondern
die Vermeidung neuer Ungerechtigkeit, denn wir finden in der Vergangenheit
kein Zeitalter der Gerechtigkeit, auf die wir unsere Uhren bzw. Grenzen zurückstellen
könnten, ohne zuvor andere Nationen nach unseren Maßstäben völkerrechtswidrig
vertrieben oder geknechtet zu haben.
- "Wenn
du den Frieden willst, bereite den Krieg vor." - So lautet das Prinzip
seit der Jungsteinzeit und mag rivalisierenden Rockerbanden noch immer
alternativlos sein, aber Zivilisierte dürfen darauf bestehen, dass kein
Fitnesstraining gegen Kriminelle erforderlich ist, sondern die Polizei die
Sicherheit zu gewährleisten hat.
Nicht anders sollte es mit dem Frieden zwischen den Nationen sein, dass
nicht die Nationen wettrüsten müssen, sondern UNO-Streitkräfte den
Frieden sichern. Und je schwächer die Nationen gerüstet sind, desto
kleinere UNO-Streitkräfte brauchen wir dann. Trotzdem müssten es viele
Millionen UNO-Soldaten sein und stärker als jeder Staat, jede Allianz und
jede Zusammenrottung gegen den Frieden.
- Wer
den ewigen Behalt nationaler Streitkräfte mit und auf das Notwehrrecht begründen
und begrenzen will, kann nicht garantieren, dass es nicht in der Dimension
missbraucht wird, wie nationale Streitkräfte Stärke haben, zumal sich in
eskalierenden Krisen nicht zuverlässig klären lässt, wer den Frieden
bricht und wer Notwehr übt. Die Logik ist: Je schwächer die Nationen gerüstet
sind, desto weniger Rüstung braucht es zur Notwehr, aber es wäre dann noch
immer Wettrüsten.
- "Ohne
den Pazifismus der 30er Jahre wäre Auschwitz überhaupt
nicht möglich gewesen." - Auch Geißler kann irren, denn
a) hätte überhaupt nur Pazifismus humanitäres Völkerrecht und
Durchsetzbarkeit möglich gemacht, also die NS-Diktatur beseitigt,
b) war es kein Versehen der Nazis, die Pazifisten sehr rasch in die
Konzentrationslager zu stecken, sondern frühe Vorbereitung von Krieg und
Auschwitz,
c) war es kein Pazifismus, sondern es waren Fehleinschätzungen, Kriegsmüdigkeit,
militärische Vorsicht, nationaler und internationaler Antisemitismus die
entscheidenden Voraussetzungen für Auschwitz.
- "Mit
Pazifisten wären die Hitler-Armeen nicht besiegt worden." - Stimmt,
dafür waren der Pazifisten zu wenige.
- "Aber
Pazifismus ist doch gewaltlos!" - Das behaupten nur die dümmsten
Schulbücher und 1981 das Meinungsforschungsinstitut EMNID mit anschließend
gleichfalls dämlichen SPIEGEL-Kommentar, aber der Pazifismus war keine
Zweite-Backe-Theologie, zu der ihn seine Gegner und Naive machten, sondern
das Streben nach weltorganisatorischen Strukturen, die den Krieg bannen.
- "Aber
Gandhi war doch der größte Pazifist!" - Die Leistungen Gandhis kann
niemand in Abrede stellen, denn seine Entscheidung für den gewaltlosen
Kampf gegen eine hochgerüstete Kolonialmacht war so genial wie
alternativlos, aber von Erfolg gekrönt, weil diese Kolonialmacht einen
hinreichenden Rest an Anstand walten ließ. Gandhi war erfolgreicher
Philosoph und Politiker der Gewaltlosigkeit, aber kein Pazifist, denn
Pazifismus verlässt sich nicht auf die moralischen Qualitäten von
Aggressoren, sondern strebt danach, ihnen die Waffen zu nehmen.
- "Und
Jesus war auch kein Pazifist?" - Richtig, Jesus verurteilte die
Schwerter bloß religiös und moralisch, aber nahm sie niemandem ab, sondern
warb dafür, im Glauben an ein weiteres und ewiges Leben das
irdische Leben weniger wichtig zu nehmen. Einer humanistischen
Gesellschaft hat die Glaubensfreiheit heilig zu sein, aber das schließt
nicht aus, manch Glaubensinhalt für leichtsinnig zu halten.
- Wie
macht man aus feigen Zivilisten "mutige Soldaten"? - Indem man
ihnen klar macht, dass sie vor dem Feind nicht schnell genug weglaufen können
- und dann noch vorbei an den eigenen Feldjägern, die deshalb nicht an
vorderster Front, sondern weiter hinten auf sie warten.
- Wie
schlau mag es sein, dass wir unseren Politikern atomwaffensichere Bunker
gestatten? - Darum fragen sie uns gar nicht erst.
- "Atomwaffen
sicherten im Kalten Krieg den Frieden." - Falsch, denn inzwischen
erfuhren wir über die Kuba-Krise mehr und von vielen weiteren Fällen, wie
zufällig die Menschheit einem Atomkrieg entging. Und wir erfuhren es
Jahrzehnte später, damit wir gegen den Wahnsinn nicht rebellierten. - Als
wenn es heute anders wäre.
- "Die
Rüstungsindustrie sichert Arbeitsplätze." - Dieses Argument lassen
viele Leute schon für den Hanfanbau nicht gelten, aber für Schusswaffen in
anderer Länder Ladentheken und schlimmeres Mordgerät soll dann
Rechtfertigung sein?
- "Hilfe
zur Selbsthilfe"? - Je bürgerkriegerischer und ärmer die Regionen, in
die wir Waffen und Munition "zur Stabilisierung" liefern, desto
mehr sind sie dort Zahlungsmittel und garantiert schnellstens in falschen Händen,
auch von Kindersoldaten, die dann wieder in Notwehr zu erschießen wären.
- "Ohne
Rüstungsindustrie wären wir wehrlos." - Wenn die Rüstungsindustrie
auf jemandes Sicherheit bedacht wäre, würde sie nicht verlangen, in alle
Welt Waffen exportieren zu dürfen.
- "Wenn
wir keine Waffen liefern, dann liefern andere." - Dieses Argument
lassen wir Drogendealern nicht durchgehen.
- "Es
kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn
nicht gefällt." - Schiller hat recht, aber sicherer schläft sich eben
nicht, wenn der Frömmste mit dem bösen Nachbarn wettrüsten müsste,
sondern wenn beiden die Rüstung verboten und die Polizei aufmerksam ist.
- "Gibt
es den gerechten Krieg?" - In Betracht käme ein gerechter Krieg als
Krieg gegen Unrecht, aber das über die persönliche Phantasie hinaus zu
entscheiden, kann unmöglich jedermanns Recht sein, sonst wäre aus
jeglicher Meinungsverschiedenheit und Unvernunft immerzu Krieg. Darum ist es
zivilisierter, wenn solche Entscheidung von einer Instanz getroffen wird,
die dazu allseitig demokratisch befugt und unabhängig auf der Basis des Völkerrechts
fähig entscheidet. Zwar wird auch dann nicht jeder glücklich sein, aber
immerhin könnte sich der Rechtsunterlegene dem Urteil fügen und wenigstens
sein Leben wäre zu retten.
- "Viel
Feind, viel Ehr" - so macht man sich das Leben schwer.
- "Wenn
Dich der Feind lobt, hast Du" - womöglich etwas richtig gemacht.
- Wer im
Feind den Menschen ignoriert, der ist des Menschen Feind.
Wer für den Frieden kämpft, nicht aber für des Feindes Frieden, der
ist des Friedens Feind.
So hast Du Freunde bei den Feinden und Feinde bei den Freunden.
- "Mit
Terroristen verhandeln wir nicht" ??? - So redet nur, wer sich für die
Geiseln von Terroristen nicht verantwortlich fühlt.
- Wer
sagt: "Mit denen kann man nicht reden", der sagt: "Mit
Menschen kann man nicht reden." - Hätte er gesagt: "Ich weiß
nichts zu reden!", so hätte er wenigstens die Wahrheit gesagt.
Genug
der Thesen und Sprüche. Oft reuen sie nach wenigen Jahren, wenn nicht schon
nach wenigen Tagen, weil eben nichts ohne Zeitgeist ist.
Was
es braucht, ist der Streit, um zu verwerfen, zu verbessern, denn wäre es
richtig, wäre es längst.
Markus Rabanus 2014 und früher
Pazifismus-Forum
Das primäre Problem ist nicht allein die Weite
und Beschwerlichkeit des uno-pazifistischen Weges, sondern vorab die fehlende
Einsicht und der Fatalismus.
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