Meinungsforschung und Fehler


Hallo Thilo,

wenn Resultat der Studie des Professors wäre, dass "die Deutschen weniger vom NS hören möchten", so wäre das eine mit statistischer Wahrheit unvereinbar dilettantische Schlussfolgerung. 

In meiner Straße stehen im Moment fünf Autos. Zwei sind irgendwie blau. Drei sind irgendwie rot. 
"Also sind die Autos rot." = statistischer Kurzschluss und falsch, denn zwei sind noch immer blau.
Und ein "Trend" deutet sich noch längst nicht an, auch wenn ich nachher nochmals hinaus schaue, sondern erst in Wochen, Monaten und Jahren. Und oft genug findet sich gar nichts, was "signifikant" wäre. 

Aber sollte die Umfrage so stattgefunden haben, wie Du sie uns in Fragen-Reihenfolge und deren zunehmende, ideologische Schärfe präsentiertest, dann war sie entweder dumm oder unseriös, 
denn sie dokumentiert mit jeder weiteren Frage abnehmend eigenständig aussagekräftige Ergebnisse, 
stellt mithin also keine "Umfrage" mehr dar, sondern dokumentiert allenfalls die Oberflächlichkeit des Bewusstseins der Befragten, die sich deshalb mit jeder weiteren Frage radikalisieren lassen.

Zuverlässiger wäre es gewesen, die Fragen einzeln und in separaten Umfragen gleich-repräsentativen Studentengruppen zu stellen, allenfalls noch in systematischer Verschränkung zweier Fragen, 
nicht aber in einer Weise, die ein "Hineinsteigern" provozieren würde, was eben ihr einziges Resultat war:  "70 Prozent"

Der unzulässige Suggestiv-Effekt jeder einzelnen Frage wird noch dadurch verstärkt, dass die Fragen ausnahmslos mit "JA" zu beantworten waren, wenn es in die "rechte Richtung" ging.  
Das ist fragetechnisch nicht nur unnötig, sondern verkürzt wissenschaftlich unzulässig die Nachdenklichkeit und Autonomie des  Befragten.  

Hier wäre spätestens bei der dritten Frage ein Wechsel angesagt gewesen.

Wenn Prof. Ahlheim vom Resultat seiner Umfrage "entsetzt" gewesen sein soll, würde ich das entweder für ausgewiesene Dummheit halten oder für Wichtigtuerei, denn auch Professoren wünschen sich mitunter öffentliche Beachtung (je mehr ihnen die eigenen Studenten entschlafen).

Wenn er zudem noch meint, dass solch ein Ergebnis vor zehn Jahren "undenkbar" gewesen sei, dann ist das kaum mehr als eine Vermutung. Hätte er sich vor zehn Jahren für das Thema mit seinen Methoden interessiert, war es vielleicht sogar "entsetzlicher" als heute.

Mir ist nach Lektüre solcher "Umfrage" zunächst mal nur "entsetzlich", dass mit Ahlheim und Heger zwei Hochschulleute mit vermutlich einer ganzen Reihe von akademischen Hilfskräften zu solch Unfug fähig waren und ihnen sämtlich die enthaltenen Fehler nicht aufgefallen sein sollen.  Aber auch von solchen Fehlleistungen würde ich nicht behaupten, dass sie vor 20 Jahren "undenkbar" gewesen seien.

Stimmst Du mir zu? -  Ich brauche das :-), ansonsten höre ich nicht auf und gehe die "Fragen" noch einzeln durch, deren Beantwortung durch komplementäre (Gegen-)Fragen zu gänzlich anderen Ergebnissen führen würde, zumindest aber Korrektive hätten, die zwar die Befragten nicht unbedingt "besser" erscheinen,  aber exakter widerspiegeln. 

Grüße von Sven

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