Forenbeleidigung

Diskussion >> BGH-Urteil zu Beleidigungen in Internetforen  200703

Diese BGH-Entscheidung bereitet erhebliche Kopfschmerzen, obwohl die Entscheidungsgründe sicherlich plausibel sind, aber eben doch nicht für jeden Fall umsetzbar oder sinnvoll erscheinen, zumal sich die Zivilgesellschaft auch dadurch auszeichnet, dass sie nicht Zuträgerin jeglicher Probleme zur Gerichtsbarkeit ist, sondern vieles eigenverantwortlich und auf vielfältigste Weise angehen sollte, also Möglichkeiten nutzen darf, die nicht kriminalisiert werden sollten, solange sie niemanden übermäßig belasten.

Konsequenz für unsere Foren:

Für die erweiterte Zumutbarkeit führen wir eine Einwilligung ein, und wenn in solche Belastung einwilligt wurde, dann sollen und können ausreichend oft außergerichtliche Methoden genügen, und sei es bloß die Vorbildwirkung.
Vorbild braucht es, denn 1. ermöglicht nicht jede Lebenssituation genauere Strafanzeige als "gegen Unbekannt", 
Vorbild braucht es, dass 2. die eigene rechtsstaatliche Entschiedenheit und Gelassenheit kein Gegensatz sind und trotzdem verschieden zu einerseits Gleichgültigkeit, in die zu große Teile der Gesellschaft verfallen, wenn nicht aktuell eine Horrormeldung jedes Wohnzimmer erreicht, und andererseits jener Selbstjustiz, zu der insbesondere Jugendliche und Extremismus im Streit gegeneinander und gegen rechtsstaatliche Institutionen neigen.

Die Einwilligung ist indes kein Freibrief zugunsten der Strolche, ist aber unabdingbar für den Dialog mit solchen, denn die in Mode gekommene "Nulltoleranz" mag sich in Wahlkämpfen bewähren, ist aber kein Ansatz für die pädagogische oder politische Sozialarbeit, wobei sich Toleranz und Akzeptanz noch zusätzlich unterscheiden. Die Initiative-Dialog vertritt gegenüber Extremisten zunächst mal stetig das in sonstiger Kinder- und Jugenderziehung als "Situationsansatz" geläufige und anerkannte Konzept, wobei uns die Problematik der Konzeptübertragung durchaus bewusst ist, aber dennoch lässt sich manches Mal damit mehr erreichen, was durch andere Maßnahmen unerreichbar blieb, wie es freilich auch vorkommt, dass uns nichts gelingt und andere Maßnahmen passen, ob fördernd oder repressiv, da sind die Chancen so verschieden wie die Menschen.

Damit die User-Einwilligung tatsächlich kein Freibrief für Strolche ist, soll das Risiko der Strafverfolgung prinzipiell bleiben, nicht jedoch als Automatismus, denn das würde gegen unser Projekt zu einem Katz-und-Maus-Spiel führen, bei dem uns der Strolch durch seine Anonymität und böse Absicht stets voraus - und wir zu wenig Spielraum hätten, ihn im Wege des Dialogs zu bessern, obendrein für solch Bemühen keine rechtsstaatliche Rückendeckung mehr hätten.

Folglich fassen wir die BGH-Entscheidung zwar in ihrer Richtlinienkompetenz auf, so aber doch im Sinne eines Grundsatzurteils, dessen Regel in der Einzelfall-Würdigung durch Ausnahmen präzisiert werden kann. 

markus sebatian rabanus200703

ps: Der vollständige Wortlaut der Entscheidungsbegründung liegt uns im Moment noch nicht vor. 

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