Demonstrationen und Medien

Hallo Gambit,

die Spaß-Demo war die bislang einzige Demo, über die in den Medien INHALTLICH berichtet wurde. Am Straßenrand wurden Passanten interviewt, bei denen die Aktion durchweg gut ankam und die den Protest nachvollziehen konnten, ihn für wünschenswert und Ausdruck demokratischer Selbstachtung hielten.

Bei allen anderen Demonstrationen ging es den Medien immer nur um das Krawallrisiko. Inhalte kamen kaum rüber. Ausnahme bildeten hierbei die GRÜNEN, obwohl ihre Reden verhindert wurden, was ich für politisch falsch halte, so sehr mich störte, dass sich diese Partei dem Schröder-Druck und dem gemeinsamen Drang zum Machterhalt beugten.

Da ich einige der Reporter kenne, bin ich mir sicher, dass viele von ihnen zumindest mit den friedlich abgelaufenen Demonstrationen sympathisiert haben dürften, aber es sind eben Profis und der Journalisten-Spruch "bad news are good news" ist ihnen zur bewährten Gewohnheit, zum "Tunnelblick" geworden und allenfalls durch sehr spektakuläre "Goodnews" zu durchbrechen (wie z.B. die Spaß-Demo).

Friedensdemonstranten und sonstige außerparlamentarische Aktivisten tun sich oft schwer im Umgang mit institutionalisierten Strukturen, ohne die zumindest große Medien nicht auskommen können: es gibt keine Presseerklärung, es gibt keine Pressekonferenz und es wäre auch schwer organisierbar, denn es ist neben der bloßen Einsicht einiger Aufwand erforderlich, um auf solchen Veranstaltungen extremistische Kleinstgruppen in die Schranken ihrer Bedeutung(slosigkeit) zu weisen, denn "Revolutionären" zählt nur das eigene Wort.

Die Zahlenspielereien:

da die staatlichen Organe aus Mangel an Einsicht in die grundgesetzliche Institution der Demonstrationsfreiheit politische Proteste als "gegen sich" und nicht "gegen eine bestimmte Politik" auffassen, reden sie die Zahlen von Demonstrationsteilnehmern herunter. Die Demonstranten neigen aus dieser Erfahrung dazu, die Zahlen zu übertreiben, um in der Öffentlichkeit den Eindruck einer mittleren Größenordnung zu schaffen. Bei schlecht organisierten Massendemonstrationen bewährte sich zumindest in meiner politisch aktiven Zeit folgende Formel: 

Polizeiangaben multipliziert mit 2 = X,

Demonstrantenangaben dividiert mit 2 = Y,

Mittelwert aus X und Y ist am nächsten dran :-))

Realistischere Schätzungen wären eigentlich nicht sonderlich schwierig. Es erfordert etwas Übung und schon nach 2 bis 3 "Zählungen" erzielt man eine Variationsweite von bis zu +/- 10% (je nach Demonstrationstyp), was dann noch immer Abweichungen von bis zu 20% bedeutet, aber zumindest etwas Realitätsbezug hat.

Journalisten fehlen solche Methoden in ihrer Ausbildung und sie pfeffern ohne eigene Recherche die ihnen mitgeteilten Zahlen in die Öffentlichkeit, wobei sie ihre Auswahl so treffen, wie es ihre Chefredaktion von ihnen erwartet, denn es ist ihr "Job" und den wollen sie zur Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten leisten, damit sie "beim nächsten Mal auch dabei sind". Mit Polizeiangaben fühlen sich Journalisten der Massenmedien beruflich stets "auf der sicheren Seite", denn dann ist die Unwahrheit nicht ihre Schuld:-))

Nach den großen Anti-AKW-Demos und vor allem den Mega-Friedensdemos der 80ziger Jahre würde sich eine neue Friedensbewegung heute schwer tun, auf der quantitativen Ebene an die früheren Erfolge anzuknüpfen (aber auch damals waren nie mehr Demonstranten auf der Straße als Zuschauer bei den Fußball-Bundesliga-Spielen an einem einzigen Wochenende:-)),

Die seit Mitte der 80ziger weiter fortgeschrittene Globalisierung erschwert es uns heute, mit außerparlamentarischen Aktionen inhaltliche Kritik an Politik zu leisten. Demonstrationen reduzieren sich dadurch zunehmend auf ihre Nebenfunktion "Stimmungsbarometer" zu sein.

Aber gutdurchdachte Konzept-Demos, zu denen auch die Spaß-Demos gehören, haben immer ihre Chance im Sensations-Rummel des internationalisierten Nachrichten-Geschäftes, denn es geht den Medienmachern zwangsläufig und vorrangig um die "Quote", um die "Auflage" und erst weit abgeschlagen um die "Inhalte", wenngleich sie auf Relationen zu achten haben, um nicht in Verruf zu geraten und damit an Bedeutung einzubüßen. Das Nachrichten-Geschäft ist von gnadenloser Härte, auch wenn es vieles gibt, was am Journalismus Spaß macht.

Demonstrationen, die mediale Effekte für sich nutzen möchten, müssten sich meines Erachtens auch stärker mit den Medienmachern beschäftigen.
Wenn hingegen nur darum geht, "etwas gegen ... getan zu haben", dann genügt es, sich der einen Demonstrationen anzuschließen und der anderen nicht. - Auch das ist legitim, aber dann dürfen die Erwartungen an das mediale Echo bzw. an die mediale Verstärkung nicht so hoch geschraubt werden.

Grüße von Sven

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