Vielfalt im Islam wie im Christentum

*Mario hat folgendes geschrieben: Nach allgemeingültiger, islamischer Lehre ist der Koran das geschriebene Wort Gottes und darf weder interpretiert, noch verändert werden. 

Hallo Mario, es gibt keine "allgemeingültige, islamische Lehre", auch wenn es sich viele Religiöse von ihrem Glauben erhoffen.
Die Vielfalt der islamischer Lehren (=Interpretationen) zeigt sich im Nebeneinander und auch Gegeneinander der Glaubengemeinschaften, z.B. Sunniten, Schiiten, Aleviten, Taliban, Barelwis, Ahmadiyya, afrikanische und fernöstliche Islam-Lehren, die sich regionalen Kulturen vermengten.

*Mario hat folgendes geschrieben: Wer dies tut, ist nach islamischer Lehre kein Moslem mehr. 

So interpretieren nur solche Marios und Muslime, die den Unterschieden mehr Aufmerksamkeit als den Gemeinsamkeiten zollen, während Koran, Sure 5,48 besagt: "Und wenn Allah es gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum sollt ihr um die guten Dinge wetteifern."

*Mario hat folgendes geschrieben: Die Bibel hingegen muss nach allgemeingültiger, christlicher Lehre interpretiert und ... 

Es gibt keine "allgemeingültige, christliche Lehre", sondern Vielfalt in der vollen Bandbreite des Erdenklichen. Den Biblizisten, die sich einbilden, frei von eigener Deutung zu sein. Die Selektiker, die mit vielleicht 152 Bibelstellen das Seelenheil verheißen und aus Umkehrschlüssen das Verderben erwarten.

*Mario hat folgendes geschrieben: ... und nach der Lehre der evangelischen Kirche sogar erneuert und völlig umgedeutet werden. 

"Völlige Umdeutung"? Was soll das für ein Anliegen sein? "Üble Botschaft" statt "Frohe Botschaft"?

"Völlige Umdeuter" dürften innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands wohl eher die Ausnahme sein, denn so glücklos sehen sich die Protestanten mit ihren Glaubensquellen nun auch wieder nicht.

Für Menschen ohne eigene Glaubenserfahrung oftmals schwer nachvollziehbar, aber allen Gläubigen ist es mehr oder minder ein Problem der "Gottesfurcht", ob und auf welche Weise sie ihrem "Wort Gottes" Widersprüche zuerkennen oder sie im Wege der Synopse harmonisieren, beispielsweise durch geschichtliche Einordnung.

Je weniger Zutrauen in die Gnade, desto mehr ist der Versuch, Widersprüchliches als Mysterium einer göttlichen Allwissenheit zu erklären, die sich dem Gläubigen je nach seinem Bemühen als Widerspruchsfreiheit und übergeordnete Sinnhaftigkeit erahnen lasse.

In den grundlegenden Herangehensweisen der Sinnerschließung unterscheidet sich die islamische Vielfalt nicht von der christlichen Vielfalt, denn immer und allen ernsthaft Gläubigen steht die "Lehre" in der Ambivalenz von entweder der Annäherung zum gesollten und vermeintlichen Sinn oder der verführerisch-unheiligen Entfernung davon.

Überdies ist die "Lehre" für viele Juden, Christen und Muslime ein Übersetzungsproblem, auch nicht minder, wenn die Schriften aus Furcht vor Übersetzungsfehlern gar nicht erst übersetzt werden, denn je mehr dem Einzelnen das Verstehen obliegt, desto vielfältiger wird das individuelle Verständnis.

Diesbezüglich sehen sich viele Muslime im Vorteil einer Unmittelbarkeit zu Allah, haben aber gleichwohl Imane, die sich zwar nicht wie der Papst als "Mittler zwischen Gott und die Gläubigen" stellen, dennoch z.B. mit Fatwas und ihren Schulen Vereinheitlichungen betreiben und die gesollte Individualität des Glaubens einkasten.

Die "Lehre" ist für alle eine Geschichtskenntnishürde; und ebenfalls für alle ein Problem, ob und was sie über andere Glaubensauffassungen, Religionen und Weltanschauungen erfahren. Der multikulturelle Frieden hängt erheblich davon ab, was die Religionsgemeinschaften übereinander und gegeneinander erzählen, an Deutungshoheit für ihre Anhängerscharen beanspruchen und in die Waagschale werfen.

Jeder Glaube ist "Interpretation", schon in der Gewichtung dessen, was der Gläubige an Unterschieden und Gemeinsamkeiten wahrnimmt, und wie er es umsetzt.

Allenfalls derjenige, der die Gesetze macht, mag sich einbilden, seine Gebote seien unmissverständlich und keiner Interpretation bedürftig, aber die Vielfalt der Wahrnehmungen zeugt wenn schon nicht vom Gegenteil, so doch vom Menschen, der gar nicht anders kann, als ihm der Verstand ermöglicht.

Allenfalls der Leichtgläubige tut sich leichter und folgt ohne Umschau gedankenlos ins Traditionelle seines sozialen Milieus. Das einfältigere Milieu wird die Leichtgläubigkeit als "vertrauensvoll" bezeichnen und danken. - Das wärmt. Wie auch die Folgsamsten im "Kalten Krieg" die erhitztesten Köpfe hatten.

*Mario hat folgendes geschrieben: Unwissende Leute wie du sorgen für Wilders Wahlverfolge, Sveni-Boy 

Wenn es so ist, so wäre es bitter. Aber es nähme Dich nicht aus der Verantwortung für Deine Freude an Leuten, die den Koran verbieten möchten, als dürften wir die Verbrechen der Religionskriege wiederholen.

Sven  20090609  >>  Diskussion

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