TürkeiDebatte 2017-03-19 ff.  


Stimmt, @Cem, denn ich (Privater) vermiete tatsächlich nur an Leute, die ich zumindest irgendwie mag.
Vor Jahren, als Erdogan
- die Türkei ja noch wirklich demokratisierte
- und sogar den m.E. verbrecherischen PKK-Chef vor der Todesstrafe bewahrte und Versöhner mit der kurdischen Bevölkerung war
- und die türkische Wirtschaft ganz erheblich auf Trab brachte,
da hätte ich ihn gerne eingeladen - und mietfrei, denn ich kann es mir leisten.
Heute nicht mehr, denn ich halte es nicht für demokratisch, darüber abzustimmen, das Parlament zugunsten eines Präsidenten derart weitgehend zu entmachten, wie es das Referendum vorsieht.

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Art.8 GG billigt solch Recht nur "Allen Deutschen" zu, also bräuchte es dafür im Geltungsbereich des Grundgesetzes die deutsche Staatsbürgerschaft zur erlaubnisfreien Versammlung.
Und nach dem türkischen Wahlgesetz von 2008 (die AKP regierte) heißt es in Artikel 94/A heißt es immerhin: "Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden." - Jedenfalls laut Medienberichten. Ist das unwahr? Oder wurde das Gesetz aufgehoben?

An "einheitlicher Linie" ist auch mir gelegen, weshalb mit ganz und gar nicht gefällt, dass Kurden-Demos keine Auflagen bekommen, auf Öcalan-Transparente verzichten.

Aber "einheitliche Linie" bedeutet mir nicht, dass irgendein Staat der Welt zur Neutralität in der Zulassung ausländischer Wahlkämpfer im Inland verpflichtet wäre.
Jeder souveräne Staat hat das Recht, auf dem eigenen Staatsgebiet nach eigenen Wünschen ausländische Politiker zu privilegieren oder auch zu benachteiligen.
So hat auch die souveräne Türkei einzig und allein das Recht zu entscheiden, welche Spielräume Frau Merkel, Herrn Özdemir und "anderen Nazis" bzw. "Terroristen" (Erdogan-Zitate) in der Türkei gewährt werden.

Die pikantere Fragestellung ist eine andere: Wie wird man miteinander klar kommen, wenn am Ende die/der Geschmähte regiert?

Deshalb rate ich wie du zur Mäßigung in Reaktionen, aber anders als viele Diskutanten streng auf Basis des Völkerrechts, denn das muss wichtiger sein und kann Emotionen dämpfen, was mir wirklich erforderlich scheint.

Und schließlich zur Frage, ob die Bundesregierung die Türkei wie ein "17. Bundesland" behandelt.
Das ist nicht ansatzweise der Fall und obendrein ein Ding der Unmöglichkeit.
Und übrigens: Wäre Erdogan Ministerpräsident eines Bundeslandes, so dürfte er in Deutschland auftreten, wo und wie er möchte, dürfte halt nur nicht mit "Aufruhr" drohen, wie er es schon machte.
Bundesländer haben im Bund mehr Rechte als Belgien oder die Türkei. Das mag man für gut oder schlecht halten, aber so ist die völkerrechtliche und bilaterale Situation.

Darum halte ich solche Dinge wie "wird behandelt wie 17. Bundesland" für wirklichen Käse, zumal mir kein Politiker einfällt, der solcher Motive auch nur ansatzweise verdächtig wäre.
Eher fallen mir viel zu viele ein, die in der Türkei einen Feindstaat sehen und blöde die Stimmung verschärfen.

Gewiss: Die Bundesregierung kritisiert Erdogan zuweilen heftig, zuweilen mit gezogener Handbremse
- wegen der NATO,
- wegen der Flüchtlinge,
- nicht zuletzt auch wegen der vielen in Deutschland arbeitenden und lebenden türkischen Staatsbürger, denn Erdogans "Aufruhr"-Drohungen werden durchaus ernst genommen und Grabenvertiefung ist leider immer möglich.

Aber wichtig ist eben auch, dass die Kritik an anderen Staaten, ob von Berlin Richtung Ankara oder umgekehrt in Richtung Berlin nicht sogleich als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" aufgefasst wird, denn das völkerrechtliche Einmischungsverbot ist kein Kritikverbot, sondern richtet sich eher gegen solch' ein "Aufruhr"-Getue, wie es Erdogan und seine Miteiferer machen.

Schlussendlich zur Frage, ob nicht ausschließlich die türkischen Wählern zu entscheiden haben, in welcher Staatsform sie leben möchten.

Na, ich halte das für eine rhetorische Frage, denn Frau Merkel, Herr Putin, Herr Trump usw. entscheiden es mit Sicherheit nicht, während sich nach so vielen Verhaftungen allmählich jedem Türken die Frage stellen sollte, ob denn noch "die Türken" über ihr Schicksal entscheiden, wenn die Opposition derart weit kalt gestellt wird.

Erdogan war von mir in früheren Jahren ziemlich geschätzt und tat der Türkei gut. Damit ist es nach meiner Wahrnehmung inzwischen längst vorbei. Und diesen Mann per Referendum noch stärker zu machen, halte ich für vollkommen falsch.

Ich kann meinen Freunden mit türkischem Pass nur raten, dass sie sich nicht mit nationalistischem Geschwafel einlullen lassen.Erdogan redet nicht nur Blech, sondern es sind tatsächlich Lügen, mit denen er Politik betreibt. Und das müssten türkische Wähler abstrafen, nicht auch noch belohnen.

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@Önder Y., ob es in dein Weltbild passt oder nicht, du sollst dich weder "dem Westen" noch mir "unterwerfen" - und wirst es ja auch sicherlich nicht.
Die Frage ist deshalb eher, was du mir "auf Augenhöhe" sagst, zumal es daran in Ünals Forum nicht fehlen kann, ob es richtig überlegt ist oder sonstwie gut sein mag, wenn du an Schuldzuweisungen (wie oben) fest hältst.
Gewiss begegnet dir vieles im "Westen" und an Menschen, die Türken, Muslime, Schwarze wie Menschen 2.Klasse behandeln,
aber a) ist das hierzulande wirklich nicht erlaubt, sogar strafbar
und b) ist es dann schade, wenn du zu wenig andere Begegnungen hast, denn vieles in Deutschland ist deshalb nicht ganz so schlecht und sogar besser als in der Türkei, weil viele Deutsche nicht ganz so schlecht sind und die Türkei z.B. in Sachen Sozialstaatlichkeit, Arbeitnehmerrechte, Mietrecht usw. tatsächlich nicht ganz so dolle ist, weshalb Herr Erdogan weniger gehässig über Deutschland sprechen müsste, wenn ihm denn ein bisschen mehr an Wahrheit und guten Beziehungen gelegen wäre.
Aber es geht ihm nur darum, die eigene Macht zu vergrößern. Darum schwallt er dich nationalistisch ein, als diene das Referendum der Türkei und nicht ihm.

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Fatih möchte halt nen richtig starken Erdogan - und alle anderen sind Terroristen. Stimmts? 
@Fatih, das Problem mit deinem Erdogan ist, dass er Dich für dumm verkauft, denn "Viel Feind, viel Ehr" macht der Türkei nur das Leben schwer. 
Nach dem Referendum wird er zwar wieder der "höfliche Staatsmann" sein, seine "guten Beziehungen" zu aller Welt loben, aber er hat dieses Mal zu viel Geschirr zerbrochen, so dass sich die Türkei echt nach einem Politiker umschauen sollte, der es besser kann, der auch Opposition verträgt und nicht jeden Kritiker als PKK-Terroristen verleumdet. 
Bei mir ist er unten durch. Und ich gehörte zu denen, die ihn während seiner ersten Regierungsjahre oft lobte. 

LG aus der Nachbarschaft

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Ein Hauptproblem ist halt, dass sich viele Türken in Deutschland nicht ZUHAUSE fühlen können, weil ein großer Teil der Mehrheitsbevölkerung noch nicht schnallt, dass Integration keine Einbahnstraße ist. 
Und wie wichtig insbesondere für Minderheiten ein verlässliches ZUHAUSE ist. 

"Der Türke in mir" würde dann vielleicht ebenfalls Neigung haben, meine Kritik an der türkischen Regierung knapper zu halten, für den Fall der Fälle, dass ich dort Verwandte habe und eigentlich auch lieber an türkischen Mittelmeerstränden meine letzten Jahre verbringen möchte als in oft nicht so wirklich schönen Mietshäusern Berlins. So wünschen es jedenfalls viele, mit denen ich vertrauensvollen Umgang habe. Das macht vieles verständlich, oft auch traurig. 

Und wenn nun jemand am "Türken in mir" zweifelt, dann sei mitgeteilt, dass ich nach dem gegenwärtigen Stand von Forschung und Wissenschaft überhaupt mit allen Menschen "verwandt" bin, ganz gleich, ob es jedem oder mir gefällt ;-)

Es ist ja so, dass ängstlicher Menschen im Zweifel an das Üblere glauben, während sich die andere zutrauen: "Im Zweifel für die Gemeinsamkeit."

Markus S. Rabanus

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