Trümmerfrauen, Vertreibung und Wiederaufbau

Hallo RD,

Deine warmen Worte für Trümmerfrauen werden nur wenige von denen erreichen, sind also wahrscheinlich eher jenen zugedacht, die sich auf fremden Leistungen ausruhen, auskosten möchten.

Möglicherweise hat Du jedoch falsche Vorstellungen vom wirklichen Geschehen: Als meinen Familien in Kiel und Dortmund die Häuser zerbombt waren, bedurfte es der Organisation durch die Besatzungsmächte, um die Ruinen und Gelände zu enttrümmern. Wer da mitmachen durfte, war froh, denn das brachte Lebensmittelzuteilungen und Geldlohn, mal auch die Zusicherung einer Wohnung.

Möglicherweise kennst Du Fälle, in denen jemand sagte: "Hallo Frau! Entrümmere mal mein Haus und baue es auf!", aber für Altruismus fehlten den Angesprochenen in diesen Zeiten die grundlegendsten Voraussetzungen. Und das nun schon jahrelang, für viele unter das Existenzminimum.

Die Wiederaufbauleistung der Siegermächte zu leugnen, ist eine rechtsextremistische Albernheit bzw. Frechheit und Undankbarkeit, mit der sich solche Strolche verdienen, in bitterster Armut und zwischen Ruinen zu verkommen, aber wie die Deutschen kollektiv für den Nazi-Dreck hafteten, so sind eben auch Rechtsextremisten Nutznießer des mit den Siegermächten kollektiven Erfolgs des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der Rückkehr in die Völkergemeinschaft. Narzistischer Prollkult allein macht keinen Sonnenschein, sondern begräbt sich samt der Romantik allenfalls in ungesicherten Bergwerksstollen. Den Hammer in der Hand.

Dass nicht alle Siegermächte gleichermaßen das Wiedererstarken Deutschlands wollten, nicht gleichermaßen unterstützten, hat Gründe in deren unterschiedlichen Betroffenheit, dem Zerstörungsgrad und somit eigener Hilfebedürftigkeit, folglich auch im Hinblick auf Rachegefühle.

Immerhin ist aber sämtlichen Siegermächten über die wirtschaftlichen Hilfen der Vereinigten Staaten hinaus gutzuschreiben, dass sie zumindest dem NS die Macht nahmen und Sicherheit schafften, vielfach sehr rasch mit Deutschen kooperierten und systematisch den Staat restrukturierten, wenngleich mit den jeweiligen politischen Vorzeichen der Siegermächte, was aber auch nicht anders zu erwarten war.

Wenn Du im Geschichtsunterricht aufpasstest, so weißt Du, dass es in all diesen Siegerstaaten durchaus auch andere Vorstellungen zum Umgang mit Deutschland gab, rachsüchtigere und auch welche, die für egoistische oder nationalistische Zwecke die Rachsucht instrumentalisierten. Eine Folge davon waren die Vertreibungspolitik, der wiederum viele Menschen in die Haftung für die Nazi-Unterstützer genommen wurden, millionenfach zu Tode kamen.
Dass diese Politik überhaupt an Grenzen stieß, lag indes nicht mehr in der Kraft der Verbliebenen begründet, sondern daran, dass sich zwar einerseits zwischen Siegermächten neue Klüfte auftaten, andererseits aber die Vernunft durchsetzte, gefördert hunderttausendfach durch Deutsche, die Vertrauen rechtfertigten, Deutsche wie Adenauer, wenngleich ich auch ihn schon kritisierte.

NS-Nostalgiker hingegen waren immer nur Trittbrettfahrer dieses Erfolgs, also eine Belastung für das Ganze. Anders allenfalls dann, wenn sie es schafften, Abkehr glaubwürdig zu machen und entnazifiziert zu sein.

Grüße von Sven  20090429  >> gehackte Diskussion    neue Diskussion? >> Foren

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