von John D.
am 26.Sept.2002 22:47
Der Grundkritik an dem Zitat von C. von Clausewitz kann ich mich nur
anschließen. Sie unterstreicht den überaus nötigen Ansatz, zunächst
die Begriffe zu definieren, die diskutiert werden sollen.
Mörder ist so ein Begriff. Er wird von Menschen in mindestens zwei
unterschiedlichen Bedeutungen wahrgenommen. Die erste, leichter zu
fassende, ist die juristische, die für die BR Deutschland in §211 StGB
geklärt und in anderen Staaten sehr ähnlich definiert ist. Man darf
niemals vergessen, daß es DIESER Mörderbegriff ist, der von Gerichten
in aller Welt verwendet wird. Dieser juristische Begriff, der beim Täter
einen niederen Beweggrund (etwa Neid, Habgier aber auch Rache) voraussetzt, ist es auch letztendlich, der in der Haager
Landkriegsordnung und der Genfer Konvention gemeint ist. Beide sehen im
Kriegsfall das Töten von feindlichen Soldaten - natürlich entsprechend
den näher spezifizierten Regeln - als quasi natürlich an und verneinen
konsequent das Vorliegen justiziabler Morde. Diesen Begriff von "Mörder"
im Hinterkopf muß klar sein, daß der Ausspruch "Soldaten sind Mörder"
nicht den juristischen Mörderbegriff meinen kann. Viele Menschen
definieren anders, wann ein Mord vorliegt (und damit, wann jemand zum Mörder
wird). Diese zweite Definition erfolgt meist unbewußt aufgrund eines
individuellen Rechtsempfindens, daß jeder Mensch - mehr oder weniger
differenziert - entwickelt. Ich kann hier nur einen - natürlich sehr
subjektiv geprägten - Versuch abgeben, diesen zweiten Begriff
sprachlich so zu fassen, wie ihn m.E. viele intuitiv definieren :
"Mörder ist jemand, der einen Menschen tötet, obwohl dies
vermeidlich ist. Unvermeidlich ist dies vor allem, wenn Notwehr
vorliegt." Daß diese beiden Begriffe von einander abweichen, ist
ein gutes Beispiel für die Tatsache, daß Recht und Gerechtigkeit bei
weitem nicht immer identisch sind; vielmehr stellt Recht immer nur den
Versuch dar, sich der Gerechtigkeit möglichst begrifflich faßbar anzunähern
und dabei eine Vielzahl von möglichen Konstellation zusammenzufassen.
Die Frage, ob Krieg als "ultima ratio" gelten kann, ob es also
einen gerechten Krieg gibt ist nach der zweiten, nichtjuristischen
Definition sehr eng mit der verknüpft, ob Krieg immer vermeidbar ist.
(Darüber, daß er nach allen Kräften vermieden werden sollte, daß er
unsagbares Leid über Menschen bringt, daß sein Austreten für die
menschliche Zivilisation ein Unreife- und Armutszeugnis darstellt, daß
nie auch nur ein Krieg selbst nach juristischen Kriterien (Haager
Landkriegsordnung, Genfer Konvention) "sauber" war, dafür
sollte kein ernsthafter Diskussionsbedarf bestehen.)
Ob man dies letztendlich bejaht oder nicht, halte ich vor allem für
eine Frage des Menschenbildes und der Frage, ob der Zweck die Mittel
heiligt. Die zweite Frage empfinde ich als einfacher: Der Zweck heiligt
die Mittel nicht. Insofern stellt auch Konsequenz als Handlungsmaxime
keine Wert an sich dar, da Ideologien, die im Laufe der
Menschheitsgeschichte hunderte von Millionen Menschen das Leben gekostet
haben, letztendlich "konsequent" aufgebaut,
"konstruiert" sind. Die Frage des Menschenbildes halte ich für
komplexer. Sicher, Menschen werden weder gut noch schlecht geboren,
jedoch meine ich, daß Menschen mit einer Grundanlage zur Aggression
geboren werden. Diese gilt es im Zaum zu halten und dabei ist die
zivilisatorische Errungenschaft, die man Moral nennt, sehr wichtig.
Unbestreitbar ist die zivilisatorische Schicht, die den Menschen umgibt,
jedoch sehr dünn. Umso mehr muß man ständig auf der Hut sein, sie zu
bewahren. (Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang finde ich die Bücher
des Philosophen Hoimar v. Ditfurth, besonders sein Werk
"Innenansichten eins Artgenossen".) Dieses Aggressionspotential
jedoch zu leugnen heißt für mich, den Menschen und die Welt zu sehen
wie sie sein sollten, nicht wie sie sind. Das heißt nicht, daß ich die
Welt, wie ich sie erfahre, einfach akzeptiere; ich bin fest davon überzeugt,
daß wir uns unsere Welt letztlich selbst machen. Es ist nur ein Weg oft
sehr kleiner Schritte.
Ich bestreite nicht, daß zu allen Zeiten jede Partie behauptet hat, ihr
Krieg wäre von ihrer Seite ein reiner Verteidigungskrieg, sie sei zu
seiner Führung gezwungen, insofern sei er gerecht. Hier jedesmal neu zu
versuchen, die Wahrheit zu ergründen, darin liegt die eigentliche
Aufgabe.
Um auf das "Soldaten sind Mörder"-Zitat zurückzukommen möchte
ich sagen, daß ich persönlich nicht dieser Meinung bin. Allerdings
sollten sich Soldaten der Tatsache bewußt sein, daß sie schnell zu Mördern
werden können, aufgrund ihrer Bewaffnung wohl schneller als andere.
Gerade bei ihnen ist also ein ausgeprägtes, stets wachsames und
individuelles Gespür dafür gefragt, ob der Befehl, den sie im
Ernstfall erhalten richtig ist oder nicht. Das steht in gewissem
Widerspruch zu der Hierarchie einer Armee, die ja gerade aus dem Grunde
besteht, daß Befehle schnell - und Überlegen kostet Zeit - ausgeführt
werden. Eine Aufgabe, um die ich keinen Soldaten beneide. Was mich persönlich
an der "Soldaten sind Mörder"-Parole stört ist, daß
diejenigen, die sie äußern meistens vorgeben, Soldaten damit zum
kritischen Umgang und zum nachdenken anregen wollen, was an sich löblich
ist. Selten habe ich dann jedoch den Eindruck, sie sind an den
Ergebnissen dieses Nachdenkens wirklich interessiert. Insofern halte ich
ein unkommentiert in den Raum gestelltes "Soldaten sind Mörder"
in den meisten Fällen durchaus für eine leider kontraproduktive und
pure Provokation.
Gruß
John D.
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