Ursprüngl.
Posting an TP
Trotzdem liegst Du absolut falsch !:-), wenn Du so auf Gleichgewichte setzt.
Auch annähernde Gleichgewichte sind Fiktion, gingen immer zulasten der Souveränität kleinerer Partner und oft auch zulasten deren
Sicherheit: Stellvertreterkriege, Interventionen, ...
Großes ist stärker als Kleines. Stimmt meistens. Daran ändert sich auch durch Allianzen nichts. Es sei denn,
durch Allianzen gegen das Große, aber wer kann das wollen? Kompletter Wahnsinn wäre das. Ein zusätzliches Wettrüsten neben den bereits vorhandenen Konkurrenzen.
Was mir in Jahren des Jura-Studiums durch die Faszination der damaligen Block-Arithmetik (Ost-West) verborgen blieb, leuchtete mir erst jetzt in Anbetracht der ziemlich verfahrenen Situation nach dem 11.9. und hier durch die Diskussionen
ein:
Für das Völkerrecht "dürfen" keine anderen Rechtsprinzipien gelten als für das innerstaatliche Recht, als für das Recht föderaler Staaten.
"Dürfen" klingt Dir bestimmt zu sehr nach Moralin. Aber ich meine mit "dürfen" das kategorische "Können", denn die gegenwärtige Rechtssituation ist
den Sicherheitsrisiken derart unangemessen, dass sie kaum darauf bestehen kann, "Recht" genannt zu werden.
Und übrigens auch gescheitert. Selbst dann, wenn die USA noch "einlenken" sollten, weil eben ihre Souveränität den Alleingang objektiv ermöglicht.
Es geht um "Sicherheitspolitik" und sicher ist ein gemeinsames Konto nur dann vor untreuer Abräumung, wenn man gemeinsam zu Bank gehen muss. - Is nix drauf, ist das unwichtiger. Ist die Stimmung gut, wird man sich vertrauen. ...
Ich gebe Dir doch zu, dass die Welt keineswegs ins Paradies gekehrt wäre, wenn sich die Bundesrepublik Deutschland in vorgeschlagener Weise gegenüber der UNO erklärte.
Aber es geht um die politische Konsequenz aus der inzwischen verbreiterten Einsicht: Nur die UN sollen entscheiden.
"Verbreitet" heißt nicht "Konsens". Herr Bush und viele stehen dagegen. Hinsichtlich meines Wunsches nach Konsequenz womöglich jedes Land, weil es immerhin um Souveränitätsrechte geht,
aber die kleineren Staaten dürften zunehmend erkannt haben, dass ihre Souveränität eine Vogelfreiheit bedeuten kann, wenn da wer Großes
delinquiert.
Die beiden Weltkriege hatten bereits diesen Charakter, dass kaum ein Inselvölkchen unberührt blieb. Für das Atomzeitalter in einer massentouristischen und ökonomisch erheblich komplexeren Welt haben sich die Probleme gegenüber den Weltkriegsjahrzehnten nochmals deutlich
globalisiert und regionale Allianzen, Allianzen überhaupt spielen eine noch geringere Rolle für Krieg und Frieden als früher.
Der qualitative Schritt kann allein sein, die militärische Souveränität der Staaten zu demontieren.
Leitgedanke: Das Völkerrecht muss sich vom überwiegenden Vertragsrecht zum überwiegenden Mehrheitsrecht (mit Minderheitenschutz) entwickeln.
These 1: Für das Recht braucht man keinen Konsens (=Vertragsrecht), sondern muss auf Demokratie und Mehrheitsentscheidungen hinarbeiten.
These 2: Für die Stabilität braucht man kein Gleichgewicht, denn Stabilität ist nichts Absolutes, sondern erhöht sich mit jedem, der sich aus dem System der "Nationalen Selbstjustiz" in das System der Art.43 ff. UN-Charta überführt.
These 3: Die Bundesrepublik könnte sicherlich mit einigen Staaten gemeinsam die ersten Schritte tun.
Wichtig sind mir bei aller Verrechtlichung dann ebenso die Rechtsmittel dagegen, aber das steht noch weniger auf der Tagesordnung.
Obwohl schon gesagt: Die Stärke eventueller Widersacher ist kein
Argument gegen die Aufstellung des Rechts.
Auch in unserem Land standen sich mal ein XY-Neckermann und der Konzern Neckermann im Namensstreit gegenüber, den der Konzern gewann, obwohl der kleine Neckermann das Recht schon früher hatte. Klein gegen Groß verliert nicht immer, aber öfter als umgekehrt. Und "Das Schlafen unter den Brücken ist verboten!" trifft auch seltener die Reichen.
Das "Allgemeine Recht", für das ich trotzdem plädiere, obwohl es das Paradies nicht schaffen kann, bietet immerhin die Chance der Berufung darauf und ist schon dadurch mehr als stilles Erleiden. Selbst im Paradies könnte man nicht nach jedem Appel greifen.
Ursprüngl. Posting
an Martin010
Noch mal zum Konsens:
im Hinblick auf das aktuelle Geschehen und die pragmatische Würdigung schließe ich mich Deinem Posting an und das Nachstehende geht mehr in Richtung rechtstheoretische Reflexion, wenngleich es auch marginal Kritik an vorherrschenden Politikvorstellungen übt.
Konsens hinsichtlich der Spielregeln bzw. des Rechts ist wünschenswert und Idealzustand,
Konsens braucht es hinsichtlich des Vertragsrechts,
Konsens ist jedoch untypisch für Ordnungsrecht, Strafrecht, Menschenrechte,
also Recht, das regelmäßig mit Macht, die sich in Demokratien über Mehrheit herstellt, gesetzt wird und dennoch gegen alle beteiligten Rechtssubjekte Geltung hat.
Würde auch für solches Recht Konsens Voraussetzung sein, so gäbe es nur wenig Recht und nur in Idealzuständen. Zu mehr bräuchte es die Utopie. Also geht nicht.
Für das Völkerrecht stellt sich die Frage, wie viel davon Vertragsrecht sein soll und
wie viel davon durch Macht zur Wirkung gelangt.
Zur "Macht":
Macht ist "Machen können". Hinsichtlich der Macht gibt es die bereits angedeuteten Fallgruppen: a) legitime Macht (Demokratie), b) Willkür (Diktatur);
a) und b) haben ihre Grauzonen, bilden zuweilen Schnittmengen.
Die Macht als Alternative zum Konsens bei der Rechtsaufstellung leidet mitunter schwere Konflikte:
Z.B. könnte man vertreten, dass es in Palermo zweierlei und zugleich entgegenstehendes "Recht" gibt. Das "Recht der Mafia" gegen das staatliche Recht. - Wieder mit Grauzonen und Schnittmengen.
Trotzdem wäre es falsch mit der Rechtsaufstellung darauf zu warten, dass sich die oft religiösen Mafiosi auf biblische Gebote ("Du sollst nicht töten", ...) besinnen und konsensfähig würden, denn ihre Macht kompensiert die fehlende demokratische Legitimation exakt durch jene Gewalttätigkeit, die den Konsens ausschließt. (Nebenbei: die
Religiosität von Mafiosi ist psychologisch nicht minder interessant wie der Rechtsextremismus vieler unserer Diskussionspartner - Trost und Selbstrechtfertigung)
Warum schreibe ich das? Klar, ich möchte, dass man mit der Rechtsentwicklung nicht mehr "wartet". Die Widerstände sind groß, aber selbst gegen die Mafia würde man sich an die Rechtsaufstellung machen. - Und die USA betrachte ich nicht als Mafia.
Ob jede Politik Machtpolitik ist?
Das ist eine wendsame Formel. Was Leute wie wir an solchen Diskussionen treiben, würde ich ebenfalls unter den Begriff "Politik" fallen
lassen. Unter "Politik machen" verstehe ich: "meinen Beitrag leisten".
Medien machen Politik, Medien haben Macht. Macht und Politik sind untrennbar. Insofern hast Du recht.
Freilich mit weniger bzw. ohne Macht. Nicht jedoch "Ohnmacht", denn die "Wirkung" hängt weitgehend von uns selbst ab.
Für "vernünftig" hält sich beinahe jeder, aber ich finde es "unvernünftig", wenn die machtlosen "Vernünftigen" sich ihre Machtlosigkeit mit der Macht anderer zu erklären versuchen und nicht zuvörderst aus eigener Unzulänglichkeit.
Internet ist annähernd "unlimited". Passiert uns das,
dürfte es wenig an Saddam und George liegen. Die verhelfen uns eher zu
Einsichten und Bekanntheit. Wenn unsere Webs an (fachliche,
fremdsprachliche, technische, redaktionelle ...) Grenzen stoßen, dann
liegt es an unseren Webs selbst.
......
sven |