SCHEIDUNGSKINDER


Hallo, ich bin Anastasia und 15 Jahre alt. Ich will über dieses Thema schreiben, da ich selber ein Kind bin, deren Eltern sich geschieden haben! Mit diesem Bericht möchte ich erreichen, dass die Erwachsenen verstehen, was in einem Kind vorgeht, wenn sich die Eltern scheiden lassen und auch den Kindern oder Jugendlichen, die dieses Schreiben lesen, möchte ich vermitteln, dass sie nicht allein mit diesem Schicksal leben. Deshalb werde ich euch meine Geschichte, wie ich die Scheidung meiner Eltern erlebte, erzählen.

Also, ich habe eine kleine Schwester. Ihr Name ist Alexandra, kurz Alex  und einen großen Halbbruder. Sein Name ist Ben. Wir drei verstehen uns im Großen und Ganzen eigentlich ganz gut. Bis auf kleine Streitigkeiten, die aber normal sind. Das Verhältnis war schon immer gut zu unseren Eltern. Das heißt, wie ihr sicher mitbekommen habt, dass ich die Mittelste  von uns Dreien bin. Ich und Ben waren Wunschkinder, im Gegensatz zu meiner kleinen Schwester Alex.

Meine Eltern lernten sich Anfang der 80ziger Jahre Kennen und Lieben. Es war eine harmonische Beziehung. Und meine Mutter hatte nie ein Problem mit Ben. Voll mit stolz erfüllt, führte mein Vater sie vor den Traualtar. Ein halbes Jahr später. Also am Anfang des Jahres 1987 kam ich auf die Welt. Das Glück schien perfekt. Nun waren sie stolze Eltern. Doch mit der Zeit stritten sie sich immer öfter und versöhnten sich wieder. Die Wende kam. Auch in unserer Familie herrschte die Angst arbeitslos zu werden und somit unseren sozialen Stand in der Gesellschaft zu verlieren. Was uns noch enger zum zusammen rücken brachte. Doch dies verfloss bald. Ich, was für ein Mädchen eher ungewöhnlich ist, hing sehr stark an meinem Vater. Wieso weiß ich nicht. Diese Jahre, auch wenn es ein paar Auseinandersetzungen gab, waren die schönsten in meinem Leben bis jetzt!!!

Meine Schwester Alex wurde im Jahre 1993 geboren und wie ich schon sagte, war sie kein Wunschkind. Dies war nun oft ein Streitpunkt meiner Eltern. Da meine Mutter jetzt mit uns Rabauken voll ausgelastet war und nebenbei noch Arbeiten ging um Geld zu verdienen, blieb nicht mehr viel Zeit für meinen Vater. Mein Vater hat einen sehr anstrengenden Job. Sowohl physisch als auch psychisch wird ist er sehr belastend. Freunde hatten meine Eltern zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine. Da meinen Mutter die Freunde meines Vaters nicht mochte und anders rum. Und so fraß mein Vater alle seine Sorgen, Ängste und Probleme in sich rein, weil er niemanden hatte, mit dem er über all seinen Problemen reden konnte.  Bis er anfing Nächte lang in seinem Computer zu versinken und Alkohol zu trinken. Meine Mutter war hilflos. Nicht einmal wir Kinder konnten ihn ablenken. Das war mit eines der deprimierernsten Erlebnisse, die ich je in meinem Leben hatte. 

Der Gedanke, dass der eigene Vater dir keine Beachtung schenkt war grauenvoll und ich wollte es nicht wahr haben, dass es tatsächlich so war. Man konnte neben ihm Kopfstand machen. Nichts, er hat überhaupt nicht reagiert. Das einzigste was er sagte, war "Ja", "Nein" und "Da liegt das Geld, geh und kauf dir...". Erst fanden wir Kinder das cool, aber dann, nach und nach merkten wir, dass es nichts besonderes mehr war und Geld nicht alles im Leben ist. Außerdem war es viel schöner mit  unserem Papa zu spielen, wie früher.  Monate später musste er krankheitsbedingt in Krankenhaus. Kein Wunder, bei dem Leben was er über Monate führte. Ich machte mir ernsthafte Sorgen!!! Gott sei Dank wurde er schnell wieder gesund und nach dem Krankenhaus Aufenthalt war alles wie früher, als ich ein kleines Kind war. Er schenkte mir Beachtung, spielte mit uns und las uns praktisch jeden Wunsch von den Lippen ab!!!! Das war so schön. Ein echter SUPERDADDY!!!!!  Ich war so stolz auf meinen Papa, hätte ihn am liebsten für immer umarmt und nie wieder losgelassen. Ich wollte meinen tollen Papa der ganzen Welt zeigen. Das war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Schöner als verliebt zu sein, schöner als zu wissen ich bin Millionär, schöner als zu wissen ich schaffe das Abitur...... Wir fuhren in den Urlaub wie früher. Alles war wie früher - einfach nur schön!!! Doch es war einfach zu schön um wahr zu sein!!!

Im Urlaub aber, fing er nach einem Jahr, wieder zu rauchen an. Das war das kleinere Übel, aber kaum zu Hause war wieder Alkohol im Spiel. Ich war und bin immer noch sehr enttäuscht von meinem Papa. Ich meine man kann ja mal was trinken, aber nicht vier Mal in der Woche oder so!!! Mein Gott. Ich konnte mir nicht erklären wieso das wieder so war und habe überlegt und rumgegrübelt.  Doch das hat nichts gebracht. Mittlerweile war ich 12 Jahre alt und jetzt begann die HÖLLE!!!! Die Streits meiner Eltern wurden immer stärker. Ich wusste nicht ein und nicht aus. Ich konnte nicht verstehen, wieso sie sich stritten. Und von mal zu mal wurde es doller. Die Streits waren bald keine Streits mehr. An dieser Stelle will ich darauf nicht mehr eingehen, da ich darüber nicht sprechen will und meine Eltern ihre Ehre unantastbar bleiben soll!!!  Die schlimmste Zeit meines Lebens waren die Jahre in denen ich 12, 13 und 14 Jahre alt war. Es war grausig. Man kann sich das nicht vorstellen. 

Als ich dann von der Scheidung erfahren habe, da war ich gerade 13,5 Jahre alt, dachte ich, dass das gar nicht sein könnte. Meine Eltern, so dachte ich, würden sich nie scheiden lassen. Das konnte ich nicht fassen und wollte es nicht wahr haben. Ich dachte mir, die würden sich schon wieder einkriegen. Puste Kuchen nichts war mit einkriegen!!! Als ich langsam mitbekam, dass sich meine Eltern wirklich scheiden lassen wollten, VERSTAND ICH DIE WELT NICHT MEHR!!!! Ich war hin und her gerissen. Wusste gar nicht, was ich zuerst denken sollte. Ich habe mir dann gesagt, sei tapfer Anastasia, sei tapfer. Du darfst nicht heulen, dass macht einen schlechten Eindruck. Du darfst deine Eltern nicht belasten. Ich muss jetzt ganz stark sein. Mama und Papa brauchen mich jetzt. Diese Gedanke quälten mich. Zu wem sollte ich nun. Wieso, weshalb, warum??? Manchmal hätte ich mir am liebsten meinen Kopf abgehackt. Ich dachte er zerspringt jeden Augenblick. Nachts hatte ich Alpträume. Ich wußte einfach nicht weiter. Selbst mit Selbstmord Gedanken habe ich für kurze Zeit gespielt, aber nein, ich konnte das doch nicht machen. Ich muss die Schulter zum ausheulen sein. Warum, weshalb, wieso? Manchmal verwechselte ich oben mit unten und links mit rechts. So wirr, wie ich es jetzt schreib, so wirr war es in meinem Kopf!!!! Nach außen hin wollte ich immer die starke Anastasia sein, die nichts erschüttert. Doch das ging nur kurze Zeit gut. In der Schule und auch privat grenzte ich mich allein von allem anderen aus. In der Schule redete ich kaum und wenn dann versuchte ich meine Gefühle zu unterdrücken. Das ging aber nicht gut. Dadurch hatte ich zwischenzeitlich kaum noch Freunde. Ich unternahm Nachmittags gar nichts mehr. Meiner Mutter habe ich immer vorgespielt, dass es mir gut ginge und ich weiter keine Probleme hätte!!! Ich habe es ihr so gut vorspielen können, dass sie nichts bemerkte. Ich muss dazu sagen, dass sich unsere Mama, die ich sehr lieb habe, sich sehr viel mit uns beschäftigt. 

Wir sind am 2. Februar 2001 gemeinsam mit unserer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Mein Vater, der jetzt alleine wohnt, sehe ich in etwa zwei bis drei Mal die Woche. Trotz der beschissenen letzten Jahre haben meine Eltern immer noch ein relativ gutes Verhältnis zueinander. Trotzdem werden sie nie wieder ein Paar werden, auch wenn ich es mir tief im innersten wünsche und jeden anderen Partner meiner Elternteile verabscheue und am liebsten raus ekeln würde. Ich weiß nicht wieso, aber im innersten gebe ich mir und meiner Schwester Alex noch heute die Schuld an der Trennung meiner Eltern!!! Wieso weiß ich nicht. Ich wünsche selbst meinem größten Feind nicht die Scheidung seiner Eltern, denn das ist die größte Bestrafung meines ganzen Lebens!!!!

Ich will eigentlich an diese Zeit nicht zurück denken, da mir auch jetzt während des schreiben die Tränen kommen. Doch ich möchte damit den Eltern erleichtern ihre Kinder zu verstehen und anderen Kindern erleichtern darüber zu reden, denn es bringt gar nichts es in sich hinein zu fressen, denn genau dies tat ich. Erst nach gut einem Jahr hab ich mit meiner damals besten Freundin Katja darüber geredet. Sie versuchte mich auf zu bauen, was ihr in gewisser Hinsicht gelang. Meine heutige aller beste Freundin Sandra hat dies ebenfalls getan. Durch sie kann ich wieder lachen. Sie hat mir gezeigt was es heißt am Leben spaß zu haben, sie war es, die mir zeigte meine Emotionen raus zu lassen. Den Beiden, hab ich soviel zu verdanken. Egal was war. Sie haben in guten und in schlechten Zeiten zu mir gehalten. Ich glaub das werd ich ihnen nie vergessen. Das was diese beiden alles für mich Getan haben werde ich nie zurück geben können. Ohne sie würde ich heute wahrscheinlich immer noch wie ein Trauerklos zu Hause in der Ecke  sitzen und im Selbstmitleid versinken!!!! KATJA, SANDRA, hiermit möchte ich euch ganz, ganz lieb für all das danken!!! Danke schön!!!!  Ich sage euch. EINE RICHTIGE INTAKTE FAMILIE IST DAS SCHÖNSTE GESCHENK AUF ERDEN!!!!! Vergesst das auch im Streit nie!!!!

 

In Deutschland leben von 15,6 Millionen Kindern ca. 2,3 Millionen in geschiedenen Ehen.
Inidia-Praktikum, Mai 2002
unser SurfTipp   http://www.scheidungskinder.com/
http://www.scheidungskinder.de/ mit Forum
 
www.hilfe24.de/selbstmord.htm
www.hilfe24.de/magersucht.htm
www.hilfe24.de/drogen.htm
 

 
Geheimnisse zu haben ist okay.
Geheimnisse vor Eltern zu haben ist auch okay,
aber wenn man mit den Eltern ein Problem hat,
dann sollte das zumindest gegenüber den Eltern
kein Geheimnis sein.  (REDAKTION)

Ihr dürft vor euren Problemen 
nicht wegrennen!!!

Ich glaube der erste und beste Schritt über die Scheidung hinweg zukommen ist mit einer nahe stehenden Person über die Scheidung der Eltern zu reden. Ich persönlich tat das erst ein Jahr nach der Scheidung meiner Eltern!!! Das war aber viel zu spät. Ich habe damals mit meiner Freundin darüber geredet und das war auch gut so. Hätte mich meine Freundin nicht darauf angesprochen, hätte ich nie darüber geredet. Das ist dann regelrecht aus mir heraus geplatzt. Im Endeffekt war ich froh darüber.

Was sehr hilfreich ist, ist es mit jemanden der die gleichen Probleme hat, auch wenn man ihn nicht kennt, zu reden. Zum Beispiel, wie ich es tat im Forum unter www.Scheidungskinder.de.

Ich denke aber, das es auch andere Möglichkeiten gibt, sich mit dem Thema auseinander zu setzten. Zum Beispiel Bücher oder andere Berichte über das Thema lesen und in art Selbsthilfegruppen zu gehen und Tagebuch führen!!! Sicherlich gibt es auch andere Möglichkeiten, die ich hier nicht aufgeführt habe.

Ich bitte euch Kids echt eine dieser Lösungen zu probieren. Ihr werdet euch danach besser fühlen. 

Und an die Erwachsenen! Geht auf eure Kinder zu, auch wenn sie etwas abweisend reagieren. So zeigt ihr ihnen Zuneigung, die in der Situation hilft. Ach wenn sie das nicht zeigen, freut das die Kids auf jeden Fall. 

Inidia-Praktikum (Anastasia K.), Mai 2002