Pazifismus und Recht


Während ich früher davon ausging, dass der Pazifismus "unverzichtbar" sei, gehe ich heute davon aus, "dass es zum Pazifismus gar keine Alternative gibt".

Grüße von Sven 2006/März  >> www.Pazifistische.de 

Der nachstehende Text ist erheblich älter, teilweise "richtig falsch" und nur deshalb archiviert, um zu zeigen, wie sehr sich meine frühere Position von meinen heutigen Überlegungen unterscheidet. 
Aber vielleicht macht auch der veraltete Text klar, was gute Gründe sind, um Halbgares weiter zu kochen.  Sven
Hallo Martin,

es ist schade, dass die Pazifismus-Diskussion jetzt über verschiedene Foren verteilt stattfindet, aber solche Zerrissenheiten  würden sich selbst dann ergeben, wenn wir nur ein Forum hätten.

Esoterik ist auch mir nicht eigen und nachstehend geht es nur zum Thema Pazifismus:

Für manchen mag Pazifismus mehr sein, vielleicht eine Ideologie, denn alles, was es gibt, gibt es auch in Überschätzung bis hin zu dem vermeintlich einzigen Modell, auf das sich alles andere ausrichten könnte. 

Mir hingegen ist Pazifismus etwas, das in vielen, wenn nicht gar allen Ideologien, Epochen, Religionen, Kulturen etc. Platz greifen kann: mal als eigenständige Größe, mal als Reaktion auf kriegerische Konzepte etc.

Wenn jedoch Pazifismus so sehr unterschiedlich motiviert und in übergeordnete Systeme eingebunden sein sollte, wie es sich mir darstellt, dann sind ihm die Fragen auch unterschiedlich zu stellen. 
Beispielsweise würde ich Christen nach dem Vorbild Jesu Christi auf einen Pazifismus verpflichtet sehen, der in keinem einzigen Denkfall mit Bomben auf Probleme reagieren dürfte, also auch nicht im unmittelbaren Verteidigungsfall auf Leben und Tod.

Für solch christlichen Pazifismus wäre also Deine Forderung einigermaßen leicht beantwortbar, wie auf Weltganoven zu reagieren sei, zumal dem Christen das Erdenleben nur die Bedingungen für das Ewige Leben schaffe. 

Ich hingegen hätte es mit den finalen Fragen des Pazifismus schwerer, aber es kommt mir auch weniger darauf an, wie sich die Dinge nennen und was sie für sich behaupten, wenn es doch eher um ganz praktische Fragen geht, denen mit ideologischen Disputen oftmals eher ausgewichen wird als sie zu beantworten. 

Es geht um grundlegende Methoden, die sich tagtäglich in gewöhnlichen Lebenssachverhalten wie auch in der "Großen Politik" bewähren, aber immer wieder auch verabsäumt werden: 

1. Das Gespräch darf nicht abreißen. Und auf den Inhalt kommt es an. Ob jemand ein Kind entführt, beim Bankraub Geiseln nimmt, ein Flugzeug entführt - immer ist die Deeskalation zu suchen und das Leben zu schonen. - Das sind jetzt keine "frommen Sprüche", derer ich mich oft selbstverschuldet durch die Form verdächtig mache, sondern Gewaltzurückhaltung und Deeskalation werden von Opferangehörigen zurecht und in einer Intensität gefordert, dass Behörden, die leichtfertig Gewalt anwenden, unter Bedingungen des Rechtsstaates selbst in die Kritik geraten- zumindest, wenn es schief gelaufen ist.

Also stellen sich mir weniger die kritischen Fragen in Richtung Pazifisten, sondern an diejenigen, die dafür verantwortlich sind, wenn "weltinnenpolitisch" keine rechtsstaatlichen Mindeststandards entwickelt werden und einzuhalten sind. 

Die Existenz von Weltganoven kann die Entwicklung des Weltrechts weniger aufhalten als es gegenwärtig Mr.Bush tut, der die Art seiner weltweiten Interessenwahrnehmung eben nicht auf weltweite Legitimation stützt, sondern auf sein unterentwickeltes Rechtsempfinden und die dazu überproportionierten Möglichkeiten seiner militärischen Machtfülle.

Von meiner Warte ist sein Rechtsempfinden "unterentwickelt", denn ihm zählt der Lebensschutz zu wenig, sobald er den Feind im Visier hat. So war es, als er in früheren Ämtern Todesstrafen passieren ließ, so war es nach dem 11.09., als er die Parole ausgab: "Bin Laden, tot oder lebendig." usw.

Die Grundfehler des tötenden Überzeugungspolitikers vom Typus Bush sind die Irreversibilität im Falle des Irrtums und die ethische Niedrigkeit der Reduzierung auf die Vergeltungslogik. Über letzteres könnte man verschiedener Auffassung sein, aber ersteres genügt zur Unzulässigkeit der Überzeugungstat.

Nun könnte man dagegen einwenden, dass alles Tun letztlich von Überzeugung abhänge. Richtig. Aber die Rahmenbedingungen allen Tuns sind eine Sache des Rechts. Und Bush will etwaig entgegenstehendes Recht (UNO) "notfalls" übergehen und Gewalt anwenden. Er will "notfalls" auf Legitimation verzichten. 

Das macht diesen Mann gefährlich. Er mag innenpolitisch hinreichend legitimiert sein. Für weltweites Handeln genügt das nicht.

Und wie ist mit Hussein umzugehen? Na, das entscheiden längst nicht die Pazifisten, aber bitte auch nicht Herr Bush, sondern gefälligst diejenigen, die am ehesten für Weltweites zu sprechen legitimiert sind: Die Gremien der UNO. Auch deren Entscheidungen kann man sich widersetzen, aber für solches Tun sollte man dann auch zu haften bereit sein wie für jeden "Zivilen Widerstand" in einem demokratischen Rechtsstaat auch.

Und schließlich noch ganz, ganz konkret: ich würde den Einsatzbefehl nicht geben. Ich würde keine Bomber losschicken und Saddams Paläste bombardieren. Nicht etwa, weil ich ein Freund des Mörders Hussein wäre, sondern weil schon niemand weiß, ob er sich dort aufhält und wenn man davon ausgehen soll, dass dort atomare, chemische, biologische Waffen entstehen oder gelagert seien, dann würde ich diese Lager noch weniger angreifen dürfen. Wie gleichgültig sollte mir das Leben von TAUSENDEN Menschen sein, um diesen Mann zu treffen?

Ob die Pazifisten eine Lösung für das "Problem Hussein" haben, kann dahinstehen, aber Bushs Lösung ist absolut keine. - Verbrechen lassen sich nur durch das Recht in den Griff bekommen. Voraussetzung des Rechts ist Demokratie, Folge des Rechts sind die Mittel zu seiner Durchsetzung. 

Grüße von Sven
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