Oktoberfestanschlag 

Das Oktoberfestattentat war ein Terroranschlag mit rechtsextremistischem Hintergrund. Am 26. September 1980 starben 13 Menschen bei der Explosion einer Bombe am Haupteingang des Münchener Oktoberfests, 211 wurden zum Teil schwer verletzt. 
Der Anschlag gilt als schwerster Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ob der von den Behörden als Einzeltäter bezeichnete Bombenleger Gundolf Köhler tatsächlich allein verantwortlich war, ist umstritten. Mehrfach wurde von verschiedenen Seiten vergeblich versucht, eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zu bewirken, zuletzt im Jahr 2005.

Tathergang

Am 26. September 1980 um 22:19 Uhr explodierte in einem Papierkorb am Haupteingang des Oktoberfests an der Brausebadinsel (im Volksmund auch Tröpferlbad genannt) eine Rohrbombe. Sie bestand aus einer zuvor entleerten britischen Mörsergranate, die mit 1,39 Kilogramm TNT wieder befüllt und in einen mit Schrauben und Nägeln gefüllten Feuerlöscher gesteckt worden war. 13 Menschen kamen ums Leben, 211 wurden verletzt, 68 davon schwer. Mehreren Opfern mussten beide Beine amputiert werden, zahlreiche Menschen trugen schwere Behinderungen davon. Das Oktoberfest wurde trotz anderslautender Überlegungen nicht abgebrochen. Die 1982 eingestellten offiziellen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und des bayerischen Landeskriminalamts ergaben, dass der Rechtsextremist Gundolf Köhler aus Donaueschingen, der selber bei der Explosion starb, als sozial isolierter und verbitterter Einzeltäter handelte. Köhler, der direkt neben der Bombe stand, wurden bei der Explosion beide Arme abgerissen. Er war so stark entstellt, dass er nur anhand seines bei ihm gefundenen Reisepasses identifiziert werden konnte.

Kritik am Ermittlungsergebnis

Die „Einzeltäterthese” wird von einigen Seiten angezweifelt, u. a. auf Grund der staatsanwaltschaftlich festgestellten Verbindungen Köhlers zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. Bekannte Kritiker sind die SPD-Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin, das Attentatsopfer Ignaz Platzer, das bei der Explosion zwei Kinder verlor (siehe Zitate), der Journalist Ulrich Chaussy[1] und der Rechtsanwalt Werner Dietrich, der im Auftrag von Attentatsopfern für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen kämpfte. Sein Antrag auf Wiederaufnahme wurde vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe 1984 abgelehnt. Ein breites Bündnis[2] aus Organisationen, Gewerkschaften und Einzelpersonen, darunter mehrere Münchner Stadträte sowie Landes- und Bundespolitiker der SPD, setzte sich zum 25. Jahrestag des Anschlags 2005 erneut für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen ein, jedoch ohne Erfolg.
Zu den Hauptkritikpunkten an den Ermittlungen zählt, dass zahlreiche Zeugenaussagen im Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft nicht berücksichtigt wurden, die auf eine Beteiligung weiterer Personen hinwiesen. Unter anderem berichteten mehrere Zeugen übereinstimmend, dass sie Köhler unmittelbar vor der Tat mit zwei Personen in grünen Parkas hätten sprechen sehen und sich kurz vor der Explosion ein weiterer Mann gemeinsam mit Köhler über eine Plastiktüte gebeugt habe. Eine Zeugin hatte kurz nach der Explosion ein Gespräch in der Nähe des Tatorts gehört, in dem einer der Beteiligten rief: „Ich wollt's nicht, ich kann nichts dafür, bringt's mich um.“[3]
Die letzten Asservate vom Tatort wurden 1997 vernichtet, darunter Splitter der Bombe und Körperteile, die sich keinem der Opfer zuordnen ließen; in geklärten Fällen ist diese Vorgehensweise üblich.[4]

Hinweise auf Beteiligung Dritter

Im Jahr 2004 veröffentlichte Forschungsergebnisse des Historikers und Gladio-Forschers Dr. Daniele Ganser von der ETH Zürich haben der bereits früher von verschiedenen Seiten geäußerten These einer Involvierung der 1990 aufgedeckten Geheimorganisation Gladio neue Nahrung gegeben.[5][6] Die These wird laut ihren Verfechtern unter anderem durch die zeitliche Nähe des Oktoberfestanschlages zu dem Bombenattentat auf den Hauptbahnhof von Bologna am 2. August desselben Jahres mit 85 Toten und über 200 Verletzten gestützt. Die italienischen Rechtsextremisten Giusva Fioravanti und Francesca Mambro wurden im Jahr 1995 für diese Tat vor Gericht gestellt und verurteilt. Zwei Mitarbeiter des italienischen Militärgeheimdiensts und Licio Gelli, der Leiter der Geheimloge Propaganda Due, wurden wegen Behinderung der Ermittlungen verurteilt.[7]

Tod zweier Zeugen

Die Gladio-These stützt sich auf bekannte Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft, die jedoch keinen Eingang in das offizielle Untersuchungsergebnis fanden. Raymund Hörnle und Sibylle Vorderbrügge waren mit dem Attentäter Gundolf Köhler befreundet[8] und Mitglieder der rechtsextremen terroristischen Vereinigung Deutsche Aktionsgruppen. Sie hatten bereits einen Tag nach dem Oktoberfestattentat ausgesagt, dass der Rechtsextremist Heinz Lembke ihnen Waffen, Sprengstoff und Munition angeboten und von umfangreichen Waffendepots erzählt habe. Diesem Hinweis ging die Staatsanwaltschaft jedoch erst nach, als Waldarbeiter ein knappes Jahr später durch Zufall eines der Depots entdeckten. Lembke offenbarte im Untersuchungsgefängnis die Lage seiner 33 illegalen Waffen- und Sprengstoffdepots, deren Entdeckung bei Uelzen in der Lüneburger Heide 1981 ein breites Medienecho fand: Sie enthielten unter anderem automatische Waffen, 14.000 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten.[5] Die Menge und Qualität der gefundenen militärischen Ausrüstung deuten laut Dr. Daniele Ganser deutlich auf eine Mitgliedschaft Lembkes in der Geheimorganisation Gladio, für die solche Waffendepots charakteristisch waren. Dies wurde jedoch nicht geklärt, da Lembke am 1. November 1981, einen Tag vor seiner Vernehmung durch einen Staatsanwalt, erhängt in seiner Gefängniszelle aufgefunden wurde.[5] Er hatte zuvor angekündigt, umfangreiche Erklärungen über seine Hintermänner abzugeben. Die Ermittlungen in dieser Richtung wurden bald nach seinem Tod eingestellt und Lembke als Einzelgänger dargestellt, der die Waffendepots aufgrund seiner Furcht vor einer sowjetischen Invasion angelegt habe.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Rechtsausschusses Herta Däubler-Gmelin stellte 1981 eine parlamentarische Anfrage, ob die Erkenntnisse aus dem Fall Lembke nicht eine Neubewertung des Oktoberfest-Attentats zur Folge haben müssten. Die Antwort von Andreas von Schoeler, damals Staatssekretär im Bundesinnenministerium, war: „Es besteht keine Verbindung”.[5]

Der Zeuge Frank Lauterjung hatte bei seiner Vernehmung angegeben, dass der identifizierte Haupttäter Gundolf Köhler kurz vor der Explosion gegenüber dem Haupteingang auf der Brausebadinsel mit zwei Männern diskutiert habe. Lauterjung wurde anfangs von den Ermittlern als sehr glaubwürdig eingestuft. Er schilderte, wie Köhler mit einem Koffer in der einen und einer Tüte in der anderen Hand auf den Papierkorb zugegangen war, den Koffer abstellte, zu dem Papierkorb trat und die Bombe hineinlegte. Er konnte sogar die Abmessungen der Bombe beschreiben, bevor sie rekonstruiert wurde. Kurz nach dieser Aussage sagte der spätere Hauptzeuge aus Donaueschingen aus. Seine Aussage stützte maßgeblich die Version, nach der Köhler als isolierter Einzeltäter handelte. Nachdem die Ermittler mehrfach versucht hatten, Lauterjung zu einer Änderung seiner Aussage zu bewegen, starb er einige Wochen später im Alter von 36 Jahren an Herzversagen. Eine Untersuchung, ob sein Tod mit dem Attentat in Verbindung stehen könnte, verlief ergebnislos[9].

Das Attentat in der politischen Diskussion

Der Bombenanschlag fiel in die letzten Wochen des Bundestagswahlkampfs. Bereits am 27. September griff CDU/CSU-Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauß in der Bild am Sonntag die regierende sozialliberale Koalition scharf an. Vor allem Innenminister Gerhart Baum habe durch liberale Vorgaben an die Sicherheitsdienste effektive Ermittlungen behindert und so die ungestörte Vorbereitung des Attentats ermöglicht. Von Regierungsseite wurde der Opposition im Gegenzug eine Unterschätzung der rechtsextremen Gefahr vorgeworfen.

Zum 25. Jahrestag des Anschlags im Jahr 2005 wurde der Versuch unternommen, neue Ermittlungen der Bayerischen Polizei und BKA anzustoßen. Die Bemühungen fanden allerdings politisch keine Mehrheit und wurden vom BKA zurückgewiesen.

Auf Antrag einzelner Stadträte wurde das Denkmal auf der Theresienwiese im Jahr 2008 umgestaltet und am Jahrestag des Anschlags eingeweiht. Der Bildhauer Friedrich Koller hat eine stählerne Wandschale gestaltet, die in der Oberfläche Zerstörungen wie nach einer Explosion aufweist.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen machte im Juni 2009 das "Oktoberfest-Attentat" zum Thema einer Kleinen Anfrage im Bundestag.[10] Die Abgeordneten beziehen sich insbesondere auf Notizen im Archiv der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.[10] Unter anderem stellen sie der Bundesregierung die Frage, ob Erkenntnisse vorliegen, die einen Zusammenhang zwischen diesem Attentat und dem Anschlag von Bologna vom 2. August 1980 nahelegen.[10]

Zitate

„Lange habe ich darum gekämpft, um endlich zu erfahren, wer oder welche [Attentäter] es wirklich waren. Ich musste jedoch lernen, dass man mir darauf nie eine ehrliche Antwort geben wird. […] Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich nur Ärger einhandelt, wenn man insistiert.“
– Ignaz Platzer, Vater von zwei kleinen Kindern, die beim Bombenattentat auf das Oktoberfest starben: Süddeutsche Zeitung, München, 27. September 1996, S. 39
„Bewusst oder unbewusst wurden alle Spuren und Zeugenaussagen, die der Einzeltätertheorie widersprechen, nicht richtig gewürdigt oder beiseite geschoben. Die offizielle Version ist ein politisch erwünschtes Ermittlungsergebnis, damit keine Zusammenarbeit zwischen Köhler und anderen rechtsradikalen Personen und Strukturen nachgewiesen wird.“
– Werner Dietrich, der als Rechtsanwalt mehrerer Attentatsopfer für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen eintrat.

Literatur, Quellenhinweise und mehr >> http://de.wikipedia.org/wiki/Oktoberfestattentat

>> Anfrage von GRÜNE/Bündnis90 im Bundestag 2009


>> rechtsextremistische Gewalt