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Reformen für Deutschland

plus: Alternativ- Vorschlag

Über 60 Prozent der Bundesbürger fordern Reformen für Deutschland. Obwohl die Parteien der rot-grünen Regierungskoalition schon seit den Kohl-Jahren von "Reformstau" spricht und heute mit großem Aufwand für ihre Reformen wirbt, werden SPD und Grüne in nahezu sämtlichen Wahlen für ihre Politik abgestraft.  

Die Regierung tut so, als liege es daran, dass sie 
a) durch die Opposition blockiert in ihrem Reformprogramm werde, 
b) dass sie ihre Reformprogramm nicht hinreichend verständlich dargelegt habe, dass es sich also um ein propagandistisches Problem handle,
c) dass die Reformen so hart seien, dass die Bürger natürlich gegen sie opponieren.

Auf eine Idee kommt die Regierung nicht: dass die Reformen FALSCH sind.

Aber darin sind offenbar die Wähler einig und strafen die Regierung dafür ab, dass sie von "Reformen" redet, die in Wahrheit ausschließlich Abgaben und Steuern erhöhen, Sozialleistungen abbauen und neue Belastungen schaffen:
Riester-Rente, Zahnersatzversicherung, Bürgerversicherung, Öko-Steuer, Einstieg in die Straßen-Maut, ...

Die Regierung wird dafür abgestraft, dass ihre "Reformen" keine Wende zum Besseren versprechen, sondern im Gegenteil die Krise verstärken.

Die sinkende Popularität vor allem der SPD kommt zunächst den Unionsparteien zugute, obwohl sie ihren Reformplan aus ihrem Bundestagswahlkampf  2002 nicht konkretisierte und aus der öffentlichen Diskussion offenbar zurücknahm.

Stattdessen kommt es zu einander häufig widersprechenden Wortmeldungen führender Unionspolitiker, von denen nachfolgend eine vorgestellt und abgelehnt wird.
    

FALSCH: Das Modell von Angela Merkel
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel forderte gegenüber der "Welt am Sonntag" vom 21. Sept. 2003 erneut, "dass die Arbeitszeit in Deutschland bei gleichem Lohn zunehmen und nicht abnehmen wird."
Angela Merkel fordert also eine Art "Normerhöhung" = mehr Arbeit für selben Lohn.

Wenn es gut läuft:

Die unmittelbare Folge einer solchen "Normerhöhung" wäre im Hinblick auf die Tarifparteien, dass die Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern begünstigt werden: Kostensenkung für Produkte und Dienstleistungen.

Sofern sich Kostensenkungen in Preissenkungen ausdrücken, könnte das den Arbeitsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb verbessern.

Eventuelle Preissenkungen könnten die Binnen-Nachfrage ankurbeln.

Eventuelle Preissenkungen könnten den Export ankurbeln.

Im Optimalfall könnte das Modell Merkel zum "Selbstläufer" werden.

Aber die Nachteile sind wahrscheinlicher:

Folge von Arbeitsnormerhöhung kann die beschleunigte Marktsättigung sein.

Folge von Arbeitsnormerhöhung kann internationaler Preisverfall sein.

Arbeitsnormerhöhung (ohne Lohnanhebung) ist ohne Effekt für die Binnenkaufkraft und das Steueraufkommen.

Arbeitsnormerhöhung führt zur Arbeitsplatzabbau, wenn sich der Absatz nicht in gleichem Maße steigern lässt.

Werden weitere Arbeitsplätze "eingespart", so erhöht das die Arbeitslosenzahl und führt zu höheren Sozialabgaben, da weniger Arbeitskräfte mehr Sozialleistungsempfänger zu versorgen haben.

Folge von Arbeitsnormerhöhung könnten also über den von Merkel hinaus geforderten Mehrarbeitslohnverzicht zusätzliche Reallohnverluste sein, weil sich die Sozialabgaben erhöhen, was wiederum die Binnennachfrage schwächt.

Würden die Sozialabgaben künstlich eingefroren und die dadurch fehlenden Mittel aus Steuerkassen bezahlt oder durch Streichungen von Leistungen (Renten, Gesundheit, Kultur), so baut sich für die Arbeitskräfte ebenfalls der Lebensstandard ab.

Auch diese Nachteile können zum "Selbstläufer" werden - mit katastrophalen Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland in jeglicher Hinsicht: Konkurrenzfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, ...
  

Zusammenfassung: Das Merkel-Modell bedient einseitig Unternehmerinteressen, denn "gleiches und weniger Geld für mehr Arbeit" liegt in deren spontanen und traditionellen Interesse, ist jedoch kein Garant für Wirtschaftswachstum und Sozialstaatlichkeit.
 
 
Falsche Strategie der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften setzen im Großen und Ganzen unbeeindruckt von steigenden Arbeitslosenzahlen ihre veraltete Tarifpolitik fort: "Mehr Lohn für gleiche oder weniger Arbeitzeit." 

Das ist vertretbar, wenn sich in der selben Arbeitzeit die Produktivität erhöhen würde und diese zu einer erhöhten Wertschöpfung der Unternehmen führt, was in vielen Fällen nachweisbar ist, aber auch in vielen Fällen nicht, wenn der Produktivitätszuwachs dem der Wettbewerber entspricht oder sogar geringer ausfällt.

Unmittelbare Folge dieser gewerkschaftlichen Tarifpolitik ist die Steigerung der Produktivitätskosten im Faktor der Lohnkosten, was den Abbau von Arbeitsplätzen fördert, mindestens aber kein Anreiz darstellt, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Neben der allgemeinen Rationalisierungslogik der Wirtschaft, wird der Arbeitsplatzabbau also auch durch die antiquierte Tarifpolitik der Gewerkschaften beschleunigt. Dadurch erhöhen sich die Zahlen der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, was wiederum die Steigerung der Sozialabgaben, also Lohnnebenkosten bewirkt, was wiederum den Faktor Arbeit teuerer macht und gleichzeitig zu Reallohnverlusten führt. 

 
Richtig: Eine Lohnsteuerreform
Die Alternative zur Erhöhung der Arbeitsnormen wäre eine Strukturreform des Lohnsteuersystems durch Einführung eines Arbeitszeitfaktors. 

Vorschlag: Arbeitszeiten bis zu 30 Wochenstunden werden geringer besteuert, Arbeitszeiten über 30 Wochenstunden werden höher besteuert.  

Steuererhöhungen und Steuerermäßigungen können so berechnet werden, dass sie sich  gegenseitig kompensieren.

Folgen:

Dieses Modell gewährleistet, dass die Lohnsteuersumme in gleicher Höhe bleibt.

Dieses Modell gewährleistet, dass sich keine Vor- oder Nachteile für bestehende Arbeitsverhältnisse ergeben.

Dieses Modell gewährleistet, dass die Tarifautonomie unangetastet bleibt.

Steuertechnisch ist eine solche Strukturreform machbar und wird seit langem für einzelne Tatbestände durchgeführt: Sonderbesteuerung von Überstunden etc.

Durch die niedrigeren Steuersätze für Arbeitsplätze mit geringerer Wochenstundenzahl wird die Schaffung neuer Arbeitsplätze gegenüber Arbeitszeitverlängerungen stärker begünstigt.

Mit jedem neuen Arbeitsplatz sinken die Belastungen für die Sozialkassen, was Stabilität und Sinken der Sozialbeiträge zur Folge hat, also die Lohnnebenkosten vermindert.

Dadurch steigen a) die Reallöhne, b) die kaufkräftige Nachfrage, und c) wird ein Anreiz geschaffen, die eigene Arbeitszeit zu verkürzen, wodurch wiederum neue Arbeitsplätze entstehen. 

Stabile bzw. sinkende Lohnnebenkosten bedeuten zugleich Kostenstabilität bzw. Kostensenkung für die Unternehmen.

Zusammenfassung:  Durch eine Lohnsteuerreform ließe sich die Wettbewerbssituation für den Wirtschaftsstandort Deutschland verbessern. Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik würden gleichermaßen gefördert.
 
  

Sven Internet-Journal  22. Sept. 2003
  

Abstimmung und Diskussion

JA - eher zustimmende Kritik    oder   NEIN - eher ablehnende Kritik

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