Kalkar im Jahr 1977

Auf der Autobahn wurden es mehr und mehr Busse aus allen Teilen der Bundesrepublik, geschmückt mit Transparenten gegen den "Schnellen Brüter", wie das Atomkraftwerk von Kalkar genannt wurde. Für mich war es die erste Teilnahme an einer Massendemonstration. "50.000 Menschen und mehr", hieß es. Heute - im Abstand von Jahrzehnten - finden sich kleinere Zahlen, wie sie von der Polizei immer dann klein gemacht werden, wenn gegen die Regierung demonstriert wird. Es war gigantisch. Allemal gigantischer als an den Eingängen zum Fußballspiel des BVB.
Immer dichter wurde der Verkehr mit Fahrzeugen von Atomkraftwerksgegnern. Auch immer mehr Polizei, unfassbar viel Polizei. Ich weiß nicht mehr, ob wir mit unserem Bus überhaupt in die Nähe des Atomkraftwerks kamen oder auf der Autobahn stecken blieben, denn es dauerte Stunden, ehe wir das Gebiet erwandert hatten, von dem aus das stark gesicherte Kraftwerksgelände zu sehen war. Und immer wieder Polizeikontrollen, als seien wir Terroristen, als seien wir die RAF. Aber unsere Stimmung war um einiges besser, eigentlich super, wie sie eben für Menschen typisch ist, die sich für den Schutz von Umwelt und Natur einsetzen. Das wurde uns nicht gegönnt. Die Hubschrauber kamen, die ohrenbetäubend und unverschämt dicht über unseren Köpfen kreisten. Wer gibt solche Einsatzbefehle? Das war Gefährdung von Menschenleben, denn was wäre passiert, wenn ein Demonstrant ausgerastet wäre und hätte eine Transparentstange in die Rotoren geworfen? Eingesperrt gehören solche Piloten. Und was das sollte? Es sollte uns einschüchtern. Es war die Frechheit einer Politik und Polizei, die mit der Atomwirtschaft gemeinsame Sache machte und Ausschreitungen zu provozieren versuchte, um uns zu kriminalisieren. Eine kriminelle Politik. Aber die Demonstration war einfach zu groß, dass Provokationen fruchten konnten.

Markus Rabanus 201010

Größte Investitionsruine Deutschlands? 

Das Atomkraftwerk Kalkar sollte ursprünglich 500 Mio. DM kosten (Festpreiszusage im Jahr 1969), 1972 waren es 1,7 Mrd. DM, mit Fertigstellung im Jahr 1985 schließlich 7 Mrd. DM und 105 Mio. DM jährlich an Betriebsbereitschaftskosten, denn das Ding ging zwar nie in Betrieb, aber wurde betriebsbereit gehalten.
Aber der bundesdeutsche Stromverbrauch stieg nicht, wie es sich die Erbauer erhofft und den Bürgern in zahllosen Artikeln journalistischer Schwindler vorgegaukelt hatten und mit dem GAU von Tschernobyl waren die Atompolitiker am moralischen Ende ihres Lateins. Und wie so typisch für die Atomindustrie gab es jede Menge Skandale. - Weil dann auch noch der Abriss zu teuer gewesen wäre, wurde nur die Technik entnommen, aber die Bauten und das Gelände zu einem Bruchteil des Sachwertes verkauft. Für angeblich bloß 2,5 Mio. DM. 
Der Milliarden-Schaden verblieb den Stromkunden und Steuerzahlern, denn die Gehälter der Entscheider stiegen weiter. 
Und nie wurde der Schaden in den angeblich "billigen Atomstrompreis" eingerechnet. So wurden wir belogen. 

Auf dem Kraftwerksgelände entstand ein Freizeitpark. Der Kühlturm wurde zum Kletterspiel. 

>> http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Kalkar 

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