Ideologie, Charakter, Sachlichkeit [ Forum ] | |
von
martin am
26.Aug.2003 12:59 Hi Sven, naja, mir ging es zunächst mal um die persönliche Verunglimpfung, die natürlich immer kontraproduktiv für einen Dialog ist. Aber an diesem Punkt beginnen dann auch schon die Probleme: |
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Verunglimpfung übelster Sorte ist nun einmal ein Teil
rechtsextremistischer Ideologie, d.h. sie bildet auf jeden Fall einen
Gegenstand der Auseinandersetzung, auf den man sich in irgend einer Form
einlassen muss, wenn man den Dialog will. Holocaustleugnung
beispielsweise ist eine Verunglimpfung, die zwar sachlich daherkommt,
aber auch persönlich an die Nieren gehen kann. Sachliche Reaktion
darauf ist nicht nur positiv, weil sie die Wahrung von innerer Distanz
ermöglicht, sondern auch, weil sachliche Argumente und Faktenwissen
prinzipiell für jedermann überprüfbar sind, der dazu bereit ist.
Extremismus ist zu nicht geringem Teil eben ein Produkt von schlichten
Bildungsdefiziten. Versachlichung ist also ein Ziel mit mehrfach positiven Effekten. Bis hierher ist der Befund wenig überraschend. |
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Nun ist es aber so, dass das Ideologische vom Persönlichen
schlechterdings nicht zu trennen ist, weil Ideologie nun mal von der
aktivistischen Blutfüllung lebt. Deshalb bildet auch das Persönliche
eine legitime Zielscheibe des Dialogs, natürlich nicht in Form
kontraproduktiver Verunglimpfung, aber z.B. als sachlicher Hinweis auf
die charakterliche Deformation, die hinter rassistischen Weltbildern
steht. Auch das Schrille und Provokative von Nazis.de steht ja nicht im
Zeichen reiner Sachlichkeit, sondern versucht, neuralgische Punkte von
Extremisten zu treffen, wirkt also in einen eher emotionalen Bereich
hinein. |
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Sachlichkeit ist zwar gut für den Dialog, aber sie stellt keinen
humanen Wert an sich dar. Schlimmer noch: Sachlichkeit kann in
Mythologie zurückschlagen, sie kann selbst Element von Ideologie
werden: Französische Revolution. Das ist die 'Dialektik der Aufklärung'.
Man kann das historisch beobachten, z.B. an der Mentalität eines Rudolf
Höß: Nett im Umgang, hart in der Sache. Kultiviertes Beisammensein mit
Beethoven-Musik und eine halbe Stunde später 1000 Juden ins Gas
schicken. Weil es eine zwar unangenehme, aber nun einmal sachlich
notwendige Angelegenheit ist. |
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Die Problematik der Identifikation von Persönlichkeit und Ideologie mag
für viele Fascho-Kiddies zutreffen; spätestens bei ambitionierteren
extremistischen Vordenkern wird aber nicht die Identität, sondern
gerade die Trennung von Persönlichkeit und entpersönlichter,
versachlichter Ideologie zum Faktor der Radikalisierung.
Der Dialog steht daher vor folgendem Problem: Entschärfung durch
Versachlichung ist zwar wünschenswert, aber eigentlich nur die halbe
Miete, wenn nicht charakterliche Dispositionen gleichermaßen
angesprochen werden. |