Glaube und Moral

Ich gehöre zu den vielen Menschen, die Menschen nicht nach Religionszugehörigkeit in Gute und Schlechte unterscheiden, sondern nach ihrem Wirken und Motiven, sofern sich Motive erkennen lassen.

Aus meiner humanistischen Perspektive sind mir diejenigen Religionen der Heuchelei verdächtig, die einen Allmächtigen voraussetzen und anbeten, anstatt ihn wegen allen Leids in Natur und Menschheit anzuklagen, denn das Leid ist unvereinbar mit meinen moralischen Vorstellungen.

Aus meiner humanistischen Perspektive verbietet sich allerdings, solche Allmachts-Religiösen der Heuchelei zu beschuldigen, denn Verdacht darf nicht reichen, zumal Heuchelei eine Bewusstheit voraussetzt, an der es fehlen kann.

Wie übe ich mich im Umgang der Unvereinbarkeit des Leids mit meinen moralischen Wünschen?
- Hinsichtlich des Leids in der Natur (der Wolf tötet das Schaf oder wäre nicht mehr) übe ich mich in Fatalismus: "Die Natur ist eben so."
- Hinsichtlich des Leids der Menschheit übe ich mich, wie es auch viele Religiöse tun, im Pragmatismus, wie es sich lindern lasse.

Je höher die moralischen Ansprüche, desto weiter stehen wir zwar hinter ihnen zurück, aber wenn nicht in Heuchelei verkommend, kommen wie trotzdem weiter als durch Kapitulation der moralischen Ansprüche.

Nun glauben viele Religiöse, dass es den Nichtreligiösen an Triebkraft fehle, denn es könne ja sein, dass wer kein Gottesgericht erwarte, sich dann eher dem Schlechten hingebe und bloß auf den eigenen Vorteil bedacht.

An solchem Verdacht ist Wahres - und ich freue mich über jeden Religiösen, dem es Antrieb zum Guten ist - und ich ärgere mich über jeden Nichtreligiösen, dem es Antrieb zum Schlechten ist,
aber das Wahre daran ist nicht alles, sondern setzt voraus,
- dass die Gottesfurcht den Religiösen gewichtiger wäre als ihr Glaube an die Sündenvergebung,
- dass Gutes zu tun für Religiöse nur dann in den Sinn komme, weil auf Lohn statt Strafe bedacht.

Nein, viele wissen, ob religiös oder nicht, dass Egoismus Feinde beschert und Gutes zu tun glücklich macht. Leider nicht alle, ob religiös oder nicht.

Markus S. Rabanus 2017-11-21

Geschrieben für ein von Religiösen moderiertes Diskussionsforum, aber nicht veröffentlicht, denn meine religiösen Freunde würden es sich nicht gelten lassen können, ohne sich beleidigt zu fühlen. 

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