Dialogie und Qualität
 

Hallo Londo,

und wenn ich sämtliche Dumm-Postings von der Veröffentlichung ausschlösse, würde Qualität dieses Forums noch längst kein Goethe-Forum sein, denn mein Verständnis von Dialog ist nun so gar nicht elitär. 

Dafür gibt es zumindest vier zusammentreffende oder einander ausschließende Motive: 

1. Weil ich im elitären Diskurs selbst kein Beinchen mehr an den Boden bekommen würde, mache ich aus der mir eigenen Geistesnot eine allgemeine Tugend. 

2. Weil mein Dialog von den Geistreichen nicht verstanden wird.

3. Weil ich annehme könnte, dass vielen Geistreichen der Dialog mit Geistschwachen zu müßig scheint.

4. Foren sind nur in wenigen Fällen deutlich besser als die einbindenden Webseiten und da bleibt bei uns eine Menge hinter den Ansprüchen und im Vergleich zu "konkurrierenden" Webs zurück, wofür es wiederum viele, viele Gründe gibt, über die man spekulieren kann, zumindest aber den zwingenden Grund, dass die Universalität unserer Domains und Themen nur oberflächliche Behandlung des Details gestattet, wenn sich niemand darauf das Detail konzentrieren mag, weil es von so viel Oberflächlichkeit umgeben ist.

Mir hingegen genügen die vielen kleinen Fortschritte, wenngleich sie gern größer, schneller, ergreifender sein könnten.

Die Domain-Universalität kam uns nicht gerade billig und uns waren in der Entscheidungsphase die Bremswirkungen hinsichtlich der Konzept-Realisierbarkeit weitgehend bewusst, die solch Universalitätsansprüche für die Detailqualität haben würden. 
Doch an dieser Richtungsentscheidung wollen wir nichts zurücknehmen, denn wir sehen uns nur wenig verpflichtet zu Finalität in Detail-Fragen, so sehr gerade ich solchen Eindruck oft zu erwecken scheine, 
sondern wir lieben unsere "interdisziplinäre" bzw. "universelle Angreifbarkeit" als Herausforderung zu ganzheitlichem Denken, was bei einigermaßen Verstand immer auch heißt, die Details zu bewegen. 

Die "Detailisten" bzw. Experten achte ich dabei nicht gering, aber die Welt ist - wie sie ist - das Resultat solcher Experten und derer, die sich dafür halten - und diese Welt gefällt mir oft nicht. 
 
Vom Positivisten unterscheidet mich die Ganzheitlichkeitsvorstellung, vom "Totaldialektiker" unterscheidet mich die Achtung des Details. So fühle ich mich bei beiden Vertretern nur in begrenztem Maße wohl. 

Das unterscheidet mich vom "reinen Politiker", der sich aus Machtkalkül ein Lager sucht, egal was es philosophisch kostet. 

Und das unterscheidet mich vom "reinen Philosophen", dem die Anerkennung der Idee genügt und auf die Verhältnisse käme es nicht an.

Womit weder gesagt sein soll, dass es solche "Reinheit" gibt, denn ich will damit nur "Tendenz" behaupten.

Womit des weiteren nicht behauptet sein soll, dass ich "der" Politiker oder "der" Philosoph sei, schon gar nicht beides in irgendeiner Vorstellung des Besserseins, aber jedenfalls "unrein in der Tendenz" und mit darin liegend anderen Chancen. - Soweit zur Politik und Philosophie meiner Dialogie - ätsch!

Jedem sollte hingegen mein pragmatischer Einwand gegen Deine Kritik einleuchten, dass schon mit minimaler IniDia-Erfahrung möglich ist, an Posting-Titel und Autoren-Nick hinreichend Vorahnung zu entwickeln, mit welchen Stimmen man sich auseinandersetzen mag und mit welchen nicht, wozu die Lust zudem nicht jeden Tag von gleicher Größe ist.

Schematisches Denken und Handeln halte ich wohl auch im Politischen für keine allzu gescheite Sache und kann nichts Tolles daran finden, wenn man die "dümmeren Nazis" gegenüber den "klügeren Nazis" benachteiligte, zumal die Grenzen als fließend bekannt sein dürften: 

a) hinsichtlich der Intelligenz, 

b) hinsichtlich des Bildungstands, 

c) hinsichtlich des Alters und Erziehungsanspruchs, 

d) hinsichtlich der politischen Lager, die ebenfalls nicht hermetisch gegeneinander abgeriegelt sind.

Also Londo, was wünscht Du Dir? 

All dies dürfte Dir bereits bekannt gewesen sein. Trotzdem unterscheidest Du Dich in der Qualität Deiner Kritik nur graduell von JS, was Dir aufstoßen sollte, zumal Du über JS in diesem Forum schon oft genug so definitiv urteiltest.

Auf der Straße begegnest Du Menschen. Nicht allen fällst Du um den Hals, nicht allen gehst Du an die Kehle. Zumindest sollte das so sein. So kann man es auch in einem Forum tun, in dem nie alles so sein kann wie in einem, das man selbst konzipiert und moderiert.

Und genau darin liegen wieder die von mir so oft angeregten Chancen: man hole sich bei irgendwo ein kostenloses Forum und biete es zur Einbindung an, was man tun kann, ob man nun sonst wo seine eigene Webseite hat oder nicht. 

Teilweise ist mein Webring-Konzept dadurch limitiert, dass ich in vielem zu wenig neutral, in anderem zu wenig parteiisch bin, aber bei vielen Mitwirkenden gelingt mir auch sonst nicht, mein Konzept zu vermitteln, was ich Dir also dann auch nicht vorwerfen will. Vielleicht aber konsultierst Du mal Rumpel, Jana, Sergiu und all diejenigen, die ihre eigenen Foren starten und durch das Maß ihrer bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit selbst die ihnen angemessene Relation von Individuum und Netzwerken entwickeln, was viel einfacher ist, als wenn man einander die eigenen Schemata überzustülpen versuchte.  - Was nicht heißen soll, dass gegenseitige Kritik ausbleiben müsste, denn Deine Kritik hat mir auf den zweiten Blick Spaß gemacht.
 
Grüße an Dein Schema :-)
Sven

Dialogie             DISKUSSION             Dialog-Lexikon