Holocaust, atomarer | |
Es
macht Sinn, sich "politisch korrekt" auszudrücken und nicht
leichtfertig mit Begriffen zu jonglieren, wenn sie in einem anderen
Bedeutungszusammenhang Gewicht gewonnen haben. Holocaust heißt zunächst nichts anderes als "Massenmord" und dennoch ist der Begriff "besetzt", denn die Menschen werden in ihrer Mehrheit mit diesem Begriff an die "Endlösung der Judenfrage" erinnert, also an den versuchten Völkermord an den Juden. Deshalb halte ich es in der Nachbetrachtung der ansonsten weitgehend verdienstvollen Friedensbewegung der achtziger Jahre für kritikwürdig, wenn vom "atomaren Holocaust" die Rede war, denn der Begriff entlehnt seine propagandistische Kraft aus einem anderen Kontext. Wenn ich durch eigene Erinnerung und andere richtig informiert bin, so wurde erst mit dem Kinofilm "Holocaust" der Mord an den Juden mit diesem Begriff verbunden. Zuvor hatte es entweder "final solution" oder deutsch "Endlösung" geheißen, also in Zitat der Tätersprache. Möglicherweise erschien Hollywood ein Filmtitel wie "Final Solution" für untragbar, weil rein begrifflich eine "Endlösung" nicht negativ wäre und über den Gegenstand des Films zu neutral wirken könnte. Hingegen ist "Holocaust" = Massenmord in jeder Begriffsverständnis negativ und mag deshalb zum Filmtitel geworden sein, obwohl "Massenmord" noch nicht das Spezifische des Mordens an den Juden greift: den Versuch einer vollständigen Auslöschung jüdischen Lebens. "Atomarer Holocaust" greift jedoch auch aus anderem Grunde nicht, denn der Begriff unterstellt den Befürwortern von Atomwaffen Mordabsichten, die ihnen zu vermuten nicht eigen sind. - Zwar gilt es auch nach meiner Auffassung, die Atomwaffen zu "ächten", aber ob uns das gelingen wird, wenn wir unlautere Begriffsverwendungen bemühen, wage ich zu bezweifeln und sähe es lieber, wenn vernünftige politische Ziele mit ebenso vernünftiger Propaganda anstrebten. |
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