Antitheisten Atheisten Agnostiker

BeitragVerfasst am: 04.12.2004 00:17

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Zitat: den Unterschied zwischen Antitheismus und Atheismus und Agnostiker

Nabend Herbert,

nach Deiner Ansicht gilt es zu erfassen, dass die Welt Ergebnis spontaner Prozesse ist, die eines dahinter stehenden Planers oder Lenkers nicht bedürfe.

Bis hier wäre es eine Position, die theoretisch sogar auch von Theisten vertreten werden könnte, denn Gott könnte selbst Teil solch spontaner Entwicklung sein und desinteressiert an menschlichen Geschicken.

Freilich wäre dieser theoretische Theismus abseits aller mir bekannten Theologien. Darum sollte man sie jedoch nicht gänzlich beiseite lassen, denn immerhin interessiert sich die Theorie für alles Denkbare und versagt sich nicht gleich, weil ihr etwas (noch) nicht erkennbar ist.

Kurzum: das Weltbild einer sich spontan entwickelnden Welt ist kein zwangsläufig atheistisches Weltbild. Es erübrigt sich vielleicht eher die religiöse Hinwendung zu Gott, wenn ein solcher Theismus keine Beziehung zwischen Gott und den Menschen glaubt.

Die sich spontan entwickelnde Welt ist die Wahrscheinlich-Anschauung von Agnostikern, denen die Existenz Gottes weder letztlich erfahrbar noch letztlich widerlegbar ist und die sich darin nicht in einen Zwang bringen lassen, sich pro oder contra zu entscheiden, wie es das innere Dilemma derjenigen ist, die trotz Fehlens allgemein anerkannter Beweise für und gegen Gott missionieren. Ein inneres Dilemma, weil "feste Überzeugung" oder "Glaubensgewissheit", wenn letzteres mit Missionsgebot gekoppelt ist.

Das Missionsgebot wiederum ist nicht nur einigen Religionen typisch, sondern findet sich ebenso bei vielen Atheisten oder Vertretern beliebiger Ideologien und Modelleisenbahner, die ihr Herzensanliegen zum allgemeinen Anliegen zu machen versuchen. So auch ich: in Dingen des Friedens unter Bedingungen und Vorrang des Dialogs.
Missionierung wird mir daher nichts Böses sein, ansonsten müsste ich es lassen. Es kommt halt darauf an, wie weit es geht und ob als Angebot, richtiges Argument, Täuschung oder Zwang.

Der Agnostizismus ist nicht notwendig atheistisch, sondern ebenso denkbar als begründete Nichtentscheidung zwischen religiösen Alternativen.
Der Agnostizismus ist ferner vorstellbar als eine auf andere Weise idealisierte Gottesvorstellung: einen Gott, der anders sein müsse als alle Vorstellungen von ihm und alle Darlegungen über ihn aus Menschenhand.

Freilich ist der Agnostizismus überwiegend anders definiert und als konsequente Unentschiedenheit in der Gottesfrage, aber es bleibt immerhin Raum für religiösen Agnostizismus; begründbar aus der Pluralität der Religionen, begründbar aus dem Fehlen eines allseitig anerkannten Beweises.

Festhaltenswert vielleicht die Einsicht, dass es den Religiösen gerade nicht an Beweiskräften fehlt, sondern nur an allgemeiner Anerkennung des ihnen Erwiesenen, Erfahrbaren = Wahrgenommenen.
Wahrnehmung als interessanter Begriff im Deutschen, denn es enthält "wahr" und "nimmt" es dafür.
Die Möglichkeit der Sinnestäuschung ist dabei bewussten Religiösen nicht weniger Geheimnis als dessen bewussten Atheisten.

Untersucht man den Zusammenhang zwischen Atheismus und der Vorstellung von einer sich spontan entwickelnden Welt, so ist letztere nicht einmal zwingende Voraussetzung für den Atheismus, denn: "Gott ist tot."

Gott könnte tot sein, seit gestern, seit 100 Mrd. von Jahren - wer weiß, womit ich polemisieren will gegen böse Polemik, denn der Theoretiker sollte so gedankenfrei sein, auch diese Möglichkeit in der Vielzahl der Möglichkeiten zu sehen. - Auch dafür steht ein allgemein anerkannter Beweis nicht in Aussicht.

Was bleibt also dem Atheismus an sich, wenn er nicht sogleich Unterfall seiner selbst sein will?
Einzig: der Glaube, dass es Gott nicht gibt, denn "niemals gab", "niemals geben wird" sind bereits Unterfälle und zugleich Mischfälle zur Religiosität.

Nun noch einmal zum Antitheismus: Wer die Religion als Tyrann Hemmnis der Wissenschaft sieht, wozu die Geschichte reichlich Anlass gibt, der wird gegen den Theismus plädieren.
Für solch Antitheismus habe ich klares Verständnis und auch Religiöse sollten sich den historischen Wahrheiten religiösen Versagens nicht immer und einfach nur damit herausreden, dass es dann "keine Juden", "keine Christen" oder "keine Muslime" waren, sondern "böse Menschen, die mit Geboten brachen".
Die gedankliche oder institutionelle Exkommunizierung, wie sie in vielen Religionen gebräuchlich ist, enthebt ganz und gar nicht von innerreligiösen Konflikten, sondern war gerade auch darin oft äußerste Zuspitzung und Schadensstiftung.

Nein, denn in den Religionen stehen die Gebote selbst im Streit und es kommt überhaupt nicht auf die Glücksformel an "Haltet die Gebote", sondern die Glücksformel könnte allenfalls lauten: "Haltet die Gebote so, dass niemand vermeidbaren Schaden nimmt."

Wenn aber Antitheisten die letztgenannte Alternative religiösen Seins verkennen, dann wird ihr Antitheismus religionsfeindlich Formen annehmen, schmälert die Gemeinsamkeiten, was nicht selten bis zur vollkommenen Ignoranz führt, die dann zwangsläufig auch Atheisten/Agnostiker wie mich gegen sich ertragen muss, denn ich bin Gegner blinder Feindschaft.

Was nun unterscheidet sich mir Religionsgegnerschaft von Religionsfeindschaft? Eigentlich schon gesagt und oft: die Geringschätzigkeit für das Gemeinsame.

Schon Religionsgegnerschaft hat diese Tendenz, während Religionskritik abwägen sollte, was für Religion spricht und dagegen, zumindest: was für einen Religiösen spricht oder gegen ihn.

Kommt mir diese Abwägung zu kurz, so ist es mir keine akzeptable Religionskritik, sondern Religionsfeindlichkeit und Beschimpfung, die sich feind-typischerweise auch daran nicht stört, wenn sie sogar netteste Menschen in ihrem Innersten verletzt. Soweit zum Rübezahl jedenfalls, wobei ich Theisten dennoch auffordere, auch damit umgehen zu können, denn atheistische Überzeugtheit kann von ebensolcher Schadensenergie sein wie religiöse Überzeugtheit, die immerhin oft genug für Atheisten nur in der Hölle angemessenen Platz zu finden glaubt.

Nicht alle Gläubigen denken so, nicht alle Atheisten denken so, aber wenn es auf beiden Seiten solche Verletzer gibt, dann soll es Grund sein, vom zur erarbeitenden Verständnis zur Verständigung zu kommen und zu Haltungen, die einander weniger verletzen. - Einige lernen schnell, andere vielleicht später. Derweil wird gelitten.

Grüße von Sven

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