Antiamerikanismus 2003
Im Artikel "America Bashing" stellte ich die These auf, dass es die militante US-Außenpolitik sei, die den Antiamerikanismus provoziere.
Dennoch ist Antiamerikanismus aus vielen Gründen nicht zu rechtfertigen:
a) aus dem pragmatischen Grund, dass Antiamerikanismus die nationalistischen Irren aller Länder bestärkt,
b) weil Antiamerikanismus die Rechtsbrecher mit der demokratischen Opposition in einen Topf wirft,
c) weil es nicht sein kann, dass man die vielen anderen Staaten und Regierungen aus ihrer politischen Mitverantwortung entlässt, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, die sich als überzeugende Alternative zur militanten "New Order" darzustellen versteht.Die US-Politik schadet den sich als "Freie Welt" begreifenden Staaten insgesamt. Diese Staaten verlieren in zweierlei Varianten ihrer gespaltenen Reaktion auf die verfehlte US-Politik: Es verlieren die Staaten, die sich auf das Trittbrett der US-Politik stellen ebenso wie diejenigen Staaten, die all ihren Protesten zuwider noch immer den Schulterschluss in ihren unheiligen Allianzen mit ihrem "Big Brother" suchen anstatt den Bund gleichberechtigter Staaten zu stärken.
In der Wahrnehmung der übrigen Welt stellen sich die Kontroversen innerhalb beispielsweise der NATO erheblich läppischer dar als diese sich einbilden oder befürchten. Und niemand kann eine andere Wahrnehmung verlangen, denn die "Freie Welt" erweist sich politisch als vollends dominiert durch ihre Führungsmacht, so dass es letztlich auf die zumeist eher zufälligen Nein-Sager überhaupt nicht ankommt, ob ein Krieg begonnen wird oder ausbleibt, weil die USA gegebenenfalls im militärischen Alleingang handeln und allenfalls zur Förderung des legitimen Scheins "Allianzen der Willigen" bilden, die sich damit weltweit und vor ihren Völkern blamieren.
Es fehlt den Menschen der übrigen Welt auch an Verlässlichkeit der einzelnen "Freie-Welt-Staaten", denn sie erweisen sich als äußerst unberechenbar, was daran liegt, dass sie sich eben nicht auf feste Maßstäbe ihrer Außenpolitik einlassen, die einzig und allein nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für alle Staaten gleichermaßen gelten würden, beispielsweise den Besitz von Atomwaffen betreffend.
Stattdessen improvisieren die "Freie-Welt-Staaten" außenpolitisch, lassen umstrittenste Privilegien wie Selbstverständlichkeiten fortdauern, während jedes noch so liebreizendste Land Afrikas keine Atomwaffen haben dürfte ohne sich damit als "Schurkenstaat" in die Gefahr der Beisetzung zu begeben.Auch die "westlichen Demokratien" erweisen sich nicht als verlässlich, denn mangels fester Maßstäbe können minimalste Verschiebungen in den Wahlresultaten über Kriegsteilnahme oder Kriegsgegnerschaft entscheiden - und auch das ohne politische Berechenbarkeit, wie sich daran zeigt, dass die immer wieder einberufenen "Allianzen der jeweils Willigen" sowohl konservative als auch linke Regierungen für militärisches Abenteurertum vereinen.
Die "Freie Welt" verliert durch ihre neomilitante Führungsmacht weltweit so viel moralische und zivile Glaubwürdigkeit, dass sich längst nicht nur der Antiamerikanismus radikalisiert, sondern sämtliche Prinzipien freiheitlicher Systeme zunehmend als Alibi für ihre stumpfsinnig mörderischen Hightech-Gewaltorgien aufgefasst werden, Prinzipien, die durch ihre Maßstablosigkeit ad absurdum geführt werden und damit ihre fortschrittliche und humane Perspektive riskieren.
Antiamerikanismus, Antichristmus, Antiwestlichkeit sind die Folge mit all ihren negativen Implikationen, einschließlich des islamischen Fundamentalismus und des internationalen Terrorismus, aber auch des zunehmenden Nationalismus und Rassismus in vielen Staaten der Welt.
Es ist falsch, meine Kritik und Schuldzuweisung an die Adresse der US-Regierung als Antiamerikanismus zu diffamieren, denn es geht mir nicht darum, "gegen Amerika" zu polemisieren. Stattdessen kommt es einzig darauf an, die einzig verbliebene Supermacht in die Schranken einer Ordnung gleichberechtigter Staaten zu weisen. Frieden kann es nicht gegen die USA geben und das soll es auch nicht. Aber Frieden kann es auch nicht geben, wenn die USA nicht selbst auch Frieden halten.
Die gegenwärtige US-Regierung treibt jedoch ein anderes Spiel, nämlich die Karte der militärischen Hegemonie gegen das Völkerrecht. Als Ausrede dafür kann nicht genügen, dass sie auf "Schurken" einschlägt, denn gerade das unterscheidet den Gerechten vom Schurken, dass sich der Gerechte keine Sonderrechte anmaßt.
Zudem stellt sich die US-Regierung noch in den weit schlimmeren Verdacht, dass sie nur solche "Schurken" enthauptet, die ihr nicht willens sind. Unfolgsam in den wirtschaftlichen Ansprüchen, die sich US-Regierungen immer mehr und weltweit für sich als "existentiell" oder "vital" behaupten. Und durchsetzen.
Von diesem Verdacht kann sich die US-Regierung nicht frei machen, wenn sie neben ihrer schon angemaßten Weltpolizistenrolle auch noch das wirtschaftliche Management in den von ihr "befreiten" Staaten an sich bringt.
Das wäre nämlich exakt "Imperialismus", auch wenn es die Bush und Rumsfeld "netter meinen" - es zählt letztlich, was sie tun.
sven20031106
America Bashing Dialog-Lexikon